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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Litteraturbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0270

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Litteraturbericht.

Ghiberti sei seinem Vater Vittorio bei den Arbeiten am Umrahmungsfries der
Pforte Andrea Pisano’s behilflich gewesen (p. 103), erhellt schon daraus, dass
dieselben 1464, als jener erst 13 Jahre zählte, ihren Abschluss gefunden hatten.
Der Irrthum rührt von der missverstandenen Benützung einer — übrigens
gleichfalls unrichtigen — Stelle bei Gaye (I. 109 n. 1) her. Von den Söhnen
Vittorio’s führt der Verfasser den in dessen Testament (Gaye I. 109) erwähnten
Ghiberto, der als Mönch den Namen Fra Matteo trug, gar nicht, die auf
Lorenzo’s Nachkommenschaft bezüglichen Jahresdaten überhaupt nur mangel-
haft an, und doch wären dieselben der bei Vasari-Milanesi zusammengestellten
Stammtafel leichtlich zu entnehmen gewesen, wenn man nicht vorgezogen
hätte, diese ganz zu reproduciren.
Zum Schlüsse seiner Darstellung bespricht der Verfasser den Einfluss,
welchen das Vorbild Ghiberti’s auf die Entwickelung des malerischen Reliefs
in der italienischen Sculptur geübt hat. Wenn er hierbei nicht nur die Stil-
weise der jüngeren florentinischen Bildnergeneration, sondern auch jene' der
paduanischen und lombardischen Schule bis in’s Cinquecento hinein auf die
von Ghiberti gegebene Initiative zurückführt, so vermögen wir ihm hierin
nicht zu folgen. Jener liegt vielmehr der malerische Realismus des floren-
tinischen Quattrocento, diesen der Einfluss Donatello’s und Mantegna’s, wie
derjenige der nordischen Kunst, insbesondere der deutschen Holzsculptur zu
Grunde, und was sie mit der Weise Ghiberti’s gemein, doch nicht ihr entlehnt
haben, ist eben dem malerischen Grundzug der ganzen Renaissancekunst im
Gegensätze zum plastischen der Antike entsprungen. Wir müssen die Kunst
des ganzen Quattrocento überspringen, wollen wir dem Geiste wieder begegnen,
der in der gehaltenen Schönheit der Ideen- und Formenwelt Ghiberti’s lebt
und webt. Erst in Raphael’s römischen Schöpfungen feiert er, allerdings
geläutert und potenzirt, seine Auferstehung.
Den Illustrationen lässt sich nicht das gleiche Lob spenden, wie es die
bildliche Ausstattung der meisten bisher erschienenen Bände der Bibliotheque
internationale de l’art, insbesondere Müntz’ »Precurseurs« und Gavallucci’s
»Della Robbia« geerntet und verdient haben. Äusser einer Heliogravüre (die
erste Pforte darstellend) wurde dafür, mit ganz wenigen Ausnahmen, eines der
unzähligen mechanischen Lichtdruckverfahren in Anwendung gebracht, die bei
plastischen Kunstwerken noch mehr als bei anderen der Reproduction alle
Feinheit der Modellirung, jede Schärfe des Ausdrucks nehmen, und den Cha-
rakter trostloser Oede und Stumpfheit über sie breiten. Im Interesse des Rufes
der Rouam’schen Publicationen ist zu wünschen, dass der Verleger für die
folgenden Bände von der unterschiedlosen Anwendung dieser Vervielfältigungsart
Abstand nimmt. Auch bezüglich der Gorrectur wäre grössere Sorgfalt nicht
verloren gewesen, es sind uns eine Reihe von Versehen, besonders in Orts- und
Personennamen sowie Daten aufgestossen, die der Verlässlichkeit des Werkes
in dieser Richtung unliebsam Eintrag thun. C. v. Fabriczy.
 
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