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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Litteraturbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0274

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244

Litteraturbericht.

den Verzeichnungen ein Leben, das man in den Stichen vergeblich suchen
wird. Den weitaus interessantesten Theil der Publication bilden aber die grossen
Röthelstudien, in denen sich die Genialität des Künstlers frei von den engen
Grenzen entfalten kann, welche ihr durch das winzige Format der Taschen-
buchillustration für gewöhnlich gezogen sind. Studien von so sprühendem
Leben, wie der Gavalier am Stuhl (Bl. 3) oder der vom Rücken gesehene Herr
(Bl. 11), des Künstlers Gattin im Gartenhut (Bl. 17) und der studirende Knabe
(Bl. 19), brauchen den Vergleich mit Watteau und Lancret nicht zu scheuen.
Unter den kleineren Zeichnungen nach dem Leben hebe ich als besonders
reizvoll den L’Hombretisch und die Garnwicklerin (Bl. 14), die drei Damen
am Tisch bei Kerzenlicht (Bl. 8), ein weibliches Profilporträt (Bl. 2.) und das
Kinderköpfchen (Bl. 4) hervor.
Die prächtigen Blätter werden sich ohne Zweifel viel Freunde erwerben,
und die Stunde ihres Erscheinens in einer Zeit, da wir mit Riesenschritten
der »Renaissance des Rococo« entgegeneilen, ist eine sehr glücklich gewählte.
Mag man über die Unselbständigkeit unseres Jahrhunderts denken, wie man
will, einen Vorzug wird man ihr nicht absprechen können : sie lenkt den Blick
im ewig hastenden Gewühl des Tages rückwärts zu den Werken der Väter:
»Und das Vergangene
Heisst mit Vertrauen
Vorwärts zu schauen,
Schauen zurück.« M. L.
Die vervielfältigende Kunst der Gegenwart. Wien, Gesellschaft für
vervielfältigende Kunst, 1886. Heft 1. fol.
Der Prospect zum Werke betont es mit Recht, dass, während die Ge-
schichte der bildenden Künste zahlreiche Bearbeiter bereits gefunden hat, es
an einer geschichtlichen Darstellung für die vervielfältigenden Künste bis jetzt
fehle. Zahlreich sind die Monographien über einzelne Künstler dieses Kunst-
zweiges — meist entstanden aus dem Bedürfniss, für Kunstsammler orientirende
Handbücher zu liefern —, aber eine pragmatische Darstellung der Entwicklung
des ganzen reichen Gebietes fehlt. Die graphischen Künste mussten sich
begnügen, in der allgemeinen Kunstgeschichte nur nebenbei beachtet zu werden.
In einer Hinsicht war diese Zögerung nicht ohne Nutzen, da durch die Special-
forschung dem Geschichtsschreiber ein sehr reiches Material gesichtet und
vorbereitet wurde. Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in Wien nahm
es nun in die Hand, »ein gross angelegtes, auf eine Reihe von Bänden berech-
netes , von den tüchtigsten Fachmännern geschriebenes und reich illustrirtes
Werk über die Geschichte der vervielfältigenden Künste zu publiciren.« Auch
rücksichtlich der Illustration müssen wir es gutheissen, dass die Publication
erst jetzt zur Wahrheit wird. Ein Decennium früher hätte das Unternehmen
sich mit Holzschnitten von ungleichem Kunstwerthe begnügen müssen,
während die Vervollkommnung des photographischen Verfahrens heutzutage
die täuschendste Nachbildung aller Erscheinungsformen der graphischen Künste
ermöglicht.
 
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