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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Hermann Dierks: Houdon´s Lehrjahre
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0335
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Houdon’s Lehrjahre.

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en Italie 4 3) bei der Beschreibung der Karthäuserkirche die Statuen eines St.
Bruno und St. Jean, ohne den Künstler zu nennen; vielleicht sind dies die
beiden Statuen Houdon’s.
Sehr bekannt und berühmt ist die Statue des h. Bruno. Interessant
ist es, diesem Werke die Arbeit Michel-Ange Slodtz’ gegenüberzustellen, der
für die Peterskirche ebenfalls einen heiligen Bruno seiner Zeit ausgeführt
hatte. Für Houdon war diese Aufgabe, die ihn mit seinem Lehrer in die
Schranken rief, die Meisterprobe. Sehen wir, wie er dieselbe bestanden
hat. Slodtz hat für seine Darstellung den Moment gewählt, wo der Heilige
die ihm von einem Engel dargebotene Mitra zurückweist* * * * * 43 44). Der Geist, der
Körper, die Gewandung, alles ist in der lebhaftesten Aufregung. Allein diese
Unruhe ist allzu gewaltsam, zu gesucht und ohne genügende Motivirung.
Wenn es die Absicht des Künstlers war, die Demuth in dieser Gestalt zu
charakterisiren, so ist ihm dies entschieden misslungen.
Eingehüllt in seinem weiten Mönchsgewände, das in wuchtigen Falten
zur Erde fällt, die Arme über der Brust gekreuzt, das kahle Haupt demuthsvoll
geneigt, so steht der h. Bruno Houdon’s da45). Die natürliche Einfachheit
verleiht dem Werke eine edle Grösse. Der Schüler hat die Bahnen seines
Meisters verlassen und ist zur Natur und Antike zurückgekehrt.
Diese Schöpfung verfehlte ihre Wirkung nicht. Schon Gicognara46), der
die französische Plastik vom classischen Standpunkt aus beurtheilend hart an-
griff, bezeichnete dies Werk als »un indizio ehe l’arte andauasi avvicinando
adescir nuovamente, non dalla barbarie della prima ignoranza, ma della meno
compatibile, cioe quella del gusto ehe era guasto e corotto«. Die Natürlichkeit
des Ausdrucks, welcher das kalte Marmorantlitz belebt, soll Ganganelli, den
späteren Papst Clemens XIV., zu dem Ausrufe hingerissen haben: »Wenn sein
Orden ihm nicht verböte zu sprechen, so würde er sprechen«47). Auch Ca-
nova, Quatremere de Quincy und Glarac haben mit Begeisterung die Aus-
führung und Auffassung dieses Werkes gelobt48).
De Montaiglon und D. (I, 165) sprechen mit Rücksicht auf eine Nachricht Lalandes
von einem St. Jean de Baptiste in der Karthäuserkirche und mit Rücksicht auf den
Nekrolog H. in der Revue encyclopedique von einem St. Jean de Latran, indem
sie zum Schluss sagen: Wir wissen nichts über diese beiden Statuen; es ist mög-
lich, dass es eine Verwechslung mit dem h. Bruno ist.
43) T. IV, p. 304.
44) Abg. bei Gicognara, Storia della scult., Tav. VII. — Die Statue befindet
sich in einer Nische an einem der Kuppelpfeiler der Kirche und ist gezeichnet:
MIC . ANG . SLODTZ . PARISINVS . F . 1744.
45) Abg. bei Gicognara a. a. 0. — Photographie bei R. Mancioni, Gat. 1885,
Nr. 866. — Eine kleine Nachbildung in Gips, von Houdon selbst ausgeführt, be-
findet sich im Museum zu Gotha.
4S) Storia d. scult. T. VI, p. 316.
47) Notiz im Verkaufskatalog von 1828. — Ebenso La Pandore 1828, 30 juillet
(Gez. J.)
4S) La Pandore, 1828, 30 juillet. — Quatremere de Quincy, Recueil histo-
rique etc. p. 302. — Glarac, Musee de sculpt., T. V, p. 336.
 
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