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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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O. Fischer: Die goldene Pforte zu Freiberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0350

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0. Fischer: Die goldene Pforte zu Freiberg.

Zu den Statuen und ihrer Bedeutung steht endlich das figürliche Bei-
werk, welches über und unter ihnen angebracht ist, in enger Beziehung.
Ueber Daniel und Aaron erblickt man je ein Taubenpaar. Dies lässt an die
Turteltauben denken, welche als Reinigungsopfer dargebracht werden (Luc. 2, 24);
aber auch Maria selbst wird nach dem Hohenliede gern als Taube bezeichnet.
Die beiden Menschenhäupter, welche über dem zweiten Paare hervorschauen,
bezeichnen sicherlich Propheten, von denen auf die Darstellung bezügliche
Weissagungen bekannt sind. Ueber David sehen wir einen Löwen, und werden
dadurch an die Worte Konrad’s von Würzburg erinnert, welcher in der
»Goldenen Schmiede« die Jungfrau also anredet (v. 502 ff.): »Du bist des
Löwen Mutter, der seine todten Jungen mit seiner lauten Stimme lebendig
macht.« Dieser Dichter erklärt uns auch das Pantherhaupt über dem Pro-
pheten Nahum. Der Panther, so sagen die Bestiarien, strömt einen so süssen
Geruch aus, dass alle Thiere des Waldes ihm nachlaufen. Desswegen ist er
für Konrad ein Mariensymbol (Goldene Schmiede v. 602 ff.), denn manche
Seele eilt »dem süssen Geruch ihrer Kleider« nach. Die Vergleichung beruht
hier auf einer Erinnerung an Gant. 1, 3 (post te curremus in odorem unguen-
torum tuorum). Der Stier, wie wir solchen über dem Täufer hervorragen
sehen, bezeichnet nach einer mittelalterlichen Anführung die Prediger, weil
der Apostel Paulus das Wort des Gesetzes: Du sollst dem Stier, der da drischt,
nicht das Maul verbinden, auf die Prediger anwendet.
Die zu den Füssen der Statuen befindlichen Darstellungen sind schon
durch ihre Stellung als solche bezeichnet, welche die überwundene Macht des
Bösen symbolisiren. Unter der Königin von Saba befindet sich ein Todten-
kopf; er mag darauf hinweisen, dass Maria, das Gegenbild der Eva, den Tod
besiegt und neues Leben in die Welt gebracht hat. Das Nämliche kann durch
das Laub zu den Füssen der Bathseba gesagt sein. Der Tag der Verkündigung
Mariä, auf welchen das entsprechende Statuenpaar sich bezieht, steht dem
Frühlingsanfang sehr nahe. An diesen verlegt die Tradition die Erschaffung
der Welt und das Laub, das Naturleben andeutend, kann auf die geistige
Neuschöpfung hinweisen, welche der Mariensohn vollbrachte. Der Löwenkopf
bei Daniel erinnert an die Geschichte von Daniel in der Löwen grübe; die
weibliche Gestalt bei Johannes ist möglicherweise Herodias.
Gegen unsere ganze Darstellung wird vielleicht der Vorwurf zu grosser
Künstlichkeit erhoben; sie muss ihn hinnehmen, sie konnte ihn kaum ver-
meiden, denn sie versucht der mittelalterlichen Symbolik auf ihren vielfach
gewundenen Wegen nachzugehen. Was ein solcher Tadel ihr Nachtheiliges
anheften sollte, das hofft sie dadurch zu überwinden, dass sie sich als mög-
lichst unmittelbar aus den geeignetsten Quellen, denen der Liturgie und
Hymnologie geschöpft und dadurch überzeugend erweist.
 
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