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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Neuwirth, Josef: Italienische Bilderhandschriften in österreichischen Klosterbibliotheken
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0448

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384

Dr. Joseph Neuwirth;

spärlich vertheilte Goldknöpfchen effectvoll belebt wird. Die fein und ausdrucksvoll
gearbeiteten Köpfchen, welche wiederholt als Füllung des Buchstabenrundes erscheinen,
bekunden eine sorgsame Arbeit in Deckfarben, sind aber in der Garnation oft etwas
zu dunkel gehalten.
Vortrefflich ist in jeder Beziehung der Bilderschmuck auf Fol. la. Der in
Gold strahlende Rahmen, welcher den Text umschliesst, zeigt in den Ecken vier
Quadrate, in welche die Evangelistenzeichen — links oben der braune, goldnirnbirte
Adler mit der Legende S. Joannes und unten der gleich behandelte Löwe mit der
Bezeichnung Marcus, rechts oben der rosafarben gekleidete Engel und unten der
geflügelte graubraune Ochs mit Goldnimben und den Legenden Matheus und Lucas —
eingestellt sind. Die fein gezeichneten Ornamente der Randleisten stimmen mit
ihrem leuchtenden Blau und Roth, sowie dem zarten Grün und Rosa harmonisch
zu dem Goldgründe und schmiegen sich in den oberen und unteren Querleisten je
an ein übereck gestelltes Viereck, in welchem je ein goldnimbirtes Heiligenbrustbild,
das bei mangelndem Attribute nicht näher bestimmbar ist, in rothem und grauem
Gewände erscheint. Ausserhalb des Rahmens schwebt auf dem oberen Blattrande
in einer halben Mandorla, deren Goldgrund von einem blauen Streifen umsäumt
wird, das Brustbild des Herrn, der, in rothem Mantel über grünem Unterkleide, die
Rechte segnend erhebt und in der Linken das aufgeschlagene Buch des Lebens trägt.
So ansprechend die Zeichnung und Farbengebung der geschilderten Theile
sind, müssen sie doch entschieden zurücktreten gegen die Steinigung des
hl. Stephanus, welcher 15cmX 13.2cm die Mitte des Blattes füllt und von dem
dunkelbraunen, durch zarte Goldornamente belebten Hintergründe in der ausser-
ordentlich lebhaften Schilderung des mit dramatischer Lebendigkeit durchgebildeten
Vorganges sich wirkungsvoll abhebt. Unter der rechts sich aufbauenden Säulenhalle
eines gothisch gedachten Kirchenbaues steht neben einem mit blauem, golddurch-
wirkten Antependium bekleideten Altäre, über welchem die Flamme einer grauen
Lampe flackert, ein in grünen Mantel gehüllter bärtiger Mann, dessen Haupt eine
graugelbe Mütze bedeckt, mit einem Buche in der Linken. Vor ihm dringt ein
zweiter in grauem Habit, dessen Kapuze theilweise den Kopf verhüllt, mit einem
braunen Knüttel gegen den Heiligen ein, der eine rosafarbene, goldgesäumte Dalmatica
trägt und auf dem grauen Steinboden knieend ergebungsvoll die Hände erhebt.
Dem tonsurirten Kopfe entströmt das Blut; denn ein mit grünem Judenhute und
gleichfarbigem Gewände ausgestatteter Verfolger hat eben den in beiden Händen
erhobenen Stein darauf niedersausen lassen, während zwei andere, roth und grün
gekleidet, zu beiden Seiten des Märtyrers seinem Beispiele folgen und der ausser-
ordentlich lebendig bewegte zur Linken mit Gewalt das Kleid des Heiligen herab-
zureissen sich bemüht. Von links her betheiligen sich an der Steinigung ein
schmucker Jüngling in rosafarbenen Beinkleidern und blauem Wams, mit der Linken
zwei Steine haltend und die Rechte eben zum Wurfe erhebend, und ein die Steine
vom Boden auflesender Mann. Aus der Mitte des Hintergrundes werfen drei andere
Männer in blauem, rothem und rosafarbenem Gewände, deren erster eine mitra-
ähnliche blaue Kopfbedeckung trägt, während die des zweiten sich einem weissen
Turban nähert, nach dem Knieenden Steine. Hinter ihnen sitzt auf grauem Fels-
gestein ein grüngekleideter, bärtiger Beobachter der ganzen Scene, in einen blau
und roth gefärbten Ueberwurf gehüllt, und deutet mit der Hand nach unten.
Ueber ihm sind mehrere Sträucher mit rothen Blüten sichtbar, neben welchen
aus blau und roth verwaschenen Wolken von goldenen Strahlen umflossen das
Antlitz Gottes auftaucht.
 
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