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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Neuwirth, Josef: Italienische Bilderhandschriften in österreichischen Klosterbibliotheken
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0471

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Italienische Bilderhandschriften in österreichischen Klosterbibliotheken. 407
Priester auf Fol. 215 a, der durch das unten am Altäre sichtbare DOMINIGI als der
Besteller der Arbeit bezeichnet erscheint, tritt das Streben nach Individualisirung
und Porträtähnlichkeit vollendet zu Tage. Vortrefflich ist auch die Farbengebung
des Meisters, welcher der höchst discret gehaltenen Gouachemalerei dennoch die
lebhaftesten Töne zu entlocken versteht und Haare und Gewänder mit fein ver-
theilten und sorgsam durchgeführten Goldschraffirungen höht und belebt; doch
drängt sich in die Schatten der Gesichter mehrmals zu viel Grau ein.
In jeder Beziehung bewundernswerth bleiben die schon früher gewürdigten
Blattumrahmungen, so dass sich in der That alles harmonisch verbindet, um das
Brevier, welches Francesco de Castello für den Stuhlweissenburger Propst Dominicus
Kälmänczay miniirte, unter die hervorragenden Leistungen der Miniaturmalerei
Oberitaliens einreihen zu dürfen. Jedenfalls hat Francesco de Castello unter den
ziemlich zahlreichen Miniatoren Mailands1*), nach deren hie und da begegnendem
Brauche 15 16 17 18) er sich stolz DE MEDIOLANO nennt, eine bedeutende Stelle eingenommen.
Nicht viel jünger als das zuletzt behandelte Denkmal ist der Kremsmünsterer
Codex Nr. 60, dessen 386 Pergamentblätter, 19 cm X 13.4 cm, gleichfalls ein Brevier
enthalten. Da die Jahreszahlen der dem Kalendarium vorausgesandten Tabellen
auf Fol. 3a von 1467 bis 1494 reichen, wird man die Vollendung der Handschrift
vielleicht auf 1466 oder 1467 ansetzen dürfen. Mit Fol. 21 a beginnen die Minia-
turen ; in dem rosafarbenen 3.8 cm X 3.5 cm B schlägt der gekrönte David in
grünem Mantel über rothem Unterkleide mit der Rechten die Harfe. In der unteren
Leiste des ausserordentlich reich verzierten Rahmens liegt ein Wappenschild; in
dem zinnoberrothen Grunde desselben schreitet ein gelblich gehaltener Löwe mit
aufgerichtetem Schweife einen grünen Berg hinan und trägt in beiden Vordertatzen
eine grüne Stange, an der eine weisse Fahne mit rothem Kreuze flattert.
Nebst zahlreichen Initialen, die in sehr satten Farben vom Goldgründe sich
abheben, findet sich eine grössere Miniatur nur noch auf Fol. 93 a, wo »Incipit ordo
breuiarii per anni circulum secundum consuetudinem monachorum siue loci specus
ordinis sancti benedicti«. Das F überdeckt die auf blauem Grunde erscheinende
Figur des hl. Felix, in dessen linker Hand das Schwert zu sehen ist. Auf dem
unteren Rande erscheint ein Bischof im vollen Ornate, mit dem Pedum in der
Linken, während die Angel mit dem weissen Fische in seiner Rechten ihn als den
hl. Zeno sicherstellt 17). Zwischen ihm und dem in Ordenstracht auftretenden
hL Benedict, der Pedum und Buch in den Händen trägt, hebt ein gleichfalls reich
gekleideter knieender Bischof — vielleicht der hl. Timotheus (?) — einen Stein mit
beiden Händen über sein Haupt empor. Am äusseren stark beschnittenen Seiten-
rande gewahrt man zwei Heiligenfiguren in Ordenstracht, deren eine als die heil.
Scholastica zu deuten ist. Sowohl die Beziehungen auf die »Gonsuetudo loci specus
ordinis sancti benedicti«, mit welchem Orte wohl nur das bei Subjaco liegende
Kloster Sacro Speco gemeint zu sein scheint, wo die Wiege des Benedictinerordens
stand 18), als auch die Einreihung des hl. Zeno, der ja hauptsächlich in der kirch-
15) Gerolamo d’Adda, L’Arte del Minio nel Ducato di Milano dal secolo XIII
al XVI, im Archivio storico lombardo, Milano, 1885.
16) Gerolamo d’Adda a. a. 0. S. 554 verweist auf einen Zeitgenossen, der sein
Werk von 1467 als Opus fratris Philippi de Mediolano bezeichnet.
17) Herzog, Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, XVIII,
S. 490.

18) Mabillon, Annales ordinis s. Benedicti, I, S. 4, 5, 37, 55.
 
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