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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen, über staatliche Kunstpflege und Restaurationen, neue Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0518

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454 Berichte und Mittheilungen aus Sammlungen und Museen,
Auch aus den numerisch ebenso reichen, wie ihrer Qualität nach mehr
als zweifelhaften Beständen der Auction Bohn gelang es der Nationalgalerie
in einem durch den Katalog dem Giorgione zugeschriebenen, jedoch keines-
wegs ihm angehörenden Werke — dem einzigen, das hohen künstlerischen
Werth besass — einen werthvollen Zuwachs zuzuführen. Wie der Autor
unbestimmt ist — nur so viel steht äusser Zweifel, dass er der venezianischen
Schule der ersten Hälfte des Cinquecento angehört — so bleibt auch die
Deutung des Gegenstandes ungewiss. Vor einem auf erhöhtem Thron sitzenden
Manne steht auf einer der Stufen des ersteren ein Knabe, hinter dem ein
prächtig costümirter Page mit einer Schüssel in den Händen auf den Thron
zuschreitet, während im Vordergrund auf der untersten Treppenstufe ein lauten-
spielender Jüngling sitzt, zu dessen Seite einige Bücher liegen. Die ganze
Scene ist in eine reiche Landschaft verlegt, deren Mittelgrund ein Herren-
schloss und einige Häusergruppen, den Hintergrund eine Kette von Hoch-
gebirgen bildet, während der Vordergrund von allerlei Gethier: einem Leopard,
zwei Rehen, einem Pfau und anderen Vögeln belebt wird. Es ist eines jener
rätbselhaften Novellenbilder, die ihre Einführung in die Malerei Giorgione ver-
danken , — wie denn unser Gemälde den Beschauer unwillkürlich an dessen
Familie in Venedig, an das Concert im Louvre und die Astrologen im Bel-
vedere erinnert. Der Knabe vor dem Thron dagegen ist eine fast genaue
Replik jenes in Garpaccio’s »hl. Stefan mit den Schriftgelehrten« in der Brera.
Das Bild war durch Schmutz und trüben Firniss arg entstellt, als es in die
Nationalgalerie kam. Durch die seither vorgenommene Reinigung sind jene
nun wohl beseitigt, doch hat sich dabei herausgestellt, dass es schon vorher
in den Lazuren stark beschädigt sein musste, so dass Glanz und Harmonie
des Eindrucks für immer verloren sind.
Ebensowenig wie für das letztangeführte lässt sich für ein kleines (14
auf 18 Zoll haltendes Bildchen), das aus den Mitteln des Lewisfonds aus einer
norditalienischen Galerie, wo es als Botticelli galt, erworben wurde, der
Name des Künstlers mit Bestimmtheit feststellen. Es ist eine »allegorische
Darstellung der Keuschheit, welche die Angriffe Amors abwehrt«. Die Scene
ist in einen blumigen Wiesengrund unter eine Eiche verlegt; den Mittelgrund
durchzieht ein Fluss mit Schwänen, den Hintergrund bildet Gehölz, das sich
an Hügeln hinanzieht, über denen sich ein blauer Himmel wölbt. Der nackte
Amorknabe hat eben einen Pfeil gegen den blanken, mit Goldornamenten und
Edelsteinen geschmückten Stahlschild der Keuschheit — einer jungen, weib-
lichen Gestalt in weissem, faltigem, gegürtetem Gewände — abgeschossen, der
abgeprallt ist, wie seine Vorgänger, die als feine Flammen ihm vom Schild
entgegen züngeln. Die Figuren sind elegant und graziös in Zeichnung und
Proportionen, die Bewegungen natürlich, der Ausdruck der Köpfe dagegen
etwas flau. Die Ausführung zeigt grosse Frische, Sorgfalt und Zartheit, das
Golorit in seinem reinen Goldton wohlthuende Wärme. Es ist wahrscheinlich,
dass unser Gemälde einer Reihe von Darstellungen der Triumphe Petrarca^s
angehörte, die etwa zum Schmuck eines Gassone dienten, — wie dies im Quat-
trocento so beliebt war. Gegen die Zuweisung an Botticelli, von dessen Art
 
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