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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0455
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ging es bald eigene Bahnen. In seiner künst-
lerischen Produktion stand die Landschaft
entschieden im Vordergrund und that sich
vor etwa 8 Jahren in kürzester Zeit dort eine
ganze Radierschule auf, die dann von jungen
Lithographen abgelöst wurde. Und auch
heute könnte man die junge Karlsruher
Kunst hierhin am ehesten rubrizieren. Be-
stand der Grundstock der Frankfurter aus
den alten erst spät zu Ansehen gelangten
Thoma und Steinhausen, so war es hier eine
Schar junger Leute, die mit aufsergewöhn-
licher Behendigkeit eine reiche Produktion
entfaltete und aus ähnlichem Geiste schuf
wie jene grofsen deutschen Meister, indem
sie die Landschaft ihrer Heimat und deren
Bevölkerung nicht wie die Impressionisten
vom rein malerischen Standpunkt, schon
eher vom lyrisch-erzählenden erfafsten und
darstellten. Schon eher verwandt jenen jungen
Münchenern, die sich unter dem Namen „die
Scholle“ verbanden, nur dafs sich die technischen
Ausdrucksmittel von diesen wesentlich unter-
schieden. Ein Münchener verliert so leicht nicht
die Freude an technischen Finessen. Diese jungen
Karlsruher vereinfachten ihre Mittel aufs äufserste.
Beinahe, dafs sie einen Plakatstil in die Land-
schaftsmalerei einführten und sich infolgedessen
besonders glücklich zu Lithographien eigneten,
deren recht reizvolle Auswahl neuerdings zu
erzieherischen Zwecken als Wandschmuck die
Schulzimmer dekorieren sollen. So sehen wir
diesen Plakatstil von Kampmann z. B. mit wech-
selndem Glück angewendet. Für sein Abend-
bild genügt diese dekorative Art. Diese Ruhe
der Linien und schwere Einfachheit der be-
waldeten Höhenzüge drückt die feierliche Er-
habenheit und Gröfse der abendlichen Natur
restlos aus. Aber sein Tagbild wirkt nüchtern
und zu leer, wie ein Bild, das in der Anlage
stehen geblieben ist. Man sieht nicht genug
Nüancierung. Haueisen verfällt diesem Mangel
schon weniger. Sein grofses Bild, eine Ebene,
über die ein Gewitter hinzieht, ist voll guter
Einzelheiten in der teilweise beleuchteten Fern-
sicht. Der Himmel ist etwas zu hart, aber die
Wahl des Terrains für diesen Beleuchtungs-
moment besonders günstig. Am reifsten wirkt
in dieser Art Volkmann. Sein Bild „Waldsaum“
ist bei aller Einfachheit von starker Wirkung.
Einer gewissen Einseitigkeit verfallen diese
Künstler ja meist, und zwar in Bezug auf den
Ton und die Farbe, in dem die Impressionisten
so gründlich und abwechslungsreich waren,
während sie diesen eben in der Wahl der Mo-
tive und der Gegenständlichkeit der Bilder vor-
aus sind. Eine gegenseitige Befruchtung dieser
Schulen und Richtungen käme jedenfalls beiden
sehr zu statten. — Der Begründer der Karls-
ruher Malerschule schafft heute wie vor Jahren
noch in gleicher Weise. Er gehörte zu denen,

Carl Vinnen, Gut Osterndorf
Mittagsbrüten
die gleich zu Beginn ihrer Laufbahn das rauhe
Naturkind „Naturalismus“ etwas salonfähig mach-
ten, wie in Paris Bastien-Lepage und im Norden
Thaulow. Mit diesem hat er überhaupt eine
gewisse Verwandtschaft, wenn er diese Meister-
schaft auch nicht ganz erreicht. Beide hatten
einen etwas weichen Zug und waren intensive
Lyriker des Augenblicks, die eine Stimmung
ausschöpften wie Jacobsen mit seiner blendenden
Prosa. Schönleber war nie einseitig, aber seine
Geschicktheit drohte ihm manchmal Gefahren,
wie dem Dänen. Aber immerhin, er hat sich
gehalten als die achtenswerte und vornehme
Natur, die er war und der für die Entwickelung
der deutschen Landschaftsmalerei eine dauernde
Stelle gesichert bleibt. — Kalkreuth, der weit
herbere Künstler, ist nach Stuttgart übergesiedelt
und auch der jüngere Carlos Grethe, der See-
maler. Aber von einer Stuttgarter Kunst kann
man zur Zeit noch nicht reden, und Weimar,
das einst mit Brendel, einem der ersten, der in
Fontainebleau studierte, und Gleichen-Rufswurm
eine stille und wenig genannte aber blühende
Insel deutschen Kunstschaffens war, ist neuer-
dings verödet und versandet. Es sei denn,
dafs ein neuer Geist nun wiederum seinen Ein-
zug halten soll, hat doch der Grofsherzog den
Bahnbrecher des neuen Kunstgewerbes, Henry
van de Velde, nach dort berufen.
IV.
Berlin und Wien.
Am spätesten traten in Deutschland Berlin
und Wien in die neuen Kunstbestrebungen ein,
beide Städte sehr verschieden und beide ihrem
inneren Wesen sehr entsprechend. Berlin ist, wie
der Norden Deutschlands überhaupt, recht eigent-
lich die Stadt des Realismus. In München könnte
man diesen als eine vorübergehende Episode

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