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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr.12
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Rüttenauer, Benno: Neuere Erwerbungen der Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0255
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NEUERE ERWERBUNGEN DER NATIONALGALERIE.

großen Kommandierenden, die Wortführer, die
Programmacher waren herzlich schlechte
Dichter oder verdarben wenigstens mit den
Programmen ihr Talent; auf sie aber folgten,
als Nachzügler, stille Leute und wurden bald
erkannt als bedeutende Dichter: die Kleist, die
Eichendorff, die Lenau, die Mörike. Aus der
Malerei ließe sich fast eine Parallele dazu
aufstellen.

Die Nationalgalerie wurde inauguriert unter
den Auspizien der ersten großen Romantiker.
Ihr königlicher Erbauer selbst war der Roman-
tiker auf dem Thron. Der große Cornelius war
sozusagen der Taufpate. Auf den ersten ro-
mantischen Rausch folgte dann aber eine allzu
katzenjämmerliche Ernüchterung, und in keinem
Zustand ist man ungerechter als in dem des
Katzenjammers. Wer sich an schlechtem Wein
betrunken, der will in seinem Jammer vom
besten nichts wissen.

Besonders gegen Böcklin und Thoma wendete
sich diese Ungerechtigkeit.

Ausstellung und Galerie wetteiferten in Berlin
miteinander. Bis vor zwei Jahren ungefähr war
Thoma in der Nationalgalerie eine unbekannte
Größe, Wilhelm Trübner mußte erst mit der
Schenkung eines Bildes von Thoma eine Bresche
hineinbrechen.

Das von Trübner geschenkte Bild ist ein
ganzer Thoma. Die melancholische Gesamt-
stimmung und die charakteristischen Einzel-
heiten des südlichen Schwarzwalds sind darauf
vorzüglich ausgedrückt. An kleinen Details ist
vielleicht des Guten etwas viel. Man möchte
dennoch nichts wegwünschen, weil alles so
liebevoll gemacht ist. Es war mir interessant,
wie die Ziegen herausgebracht waren. Keine
Spur von Zeichnung — die aber damit durch-
aus nicht als ein Verbrechen hingestellt sein
soll — sondern ein paar Schattenflecke, und
das Tier lebt. Ich kenne berühmte Moderne,
die etwas, das die Prätension hat, noch ein-
facher auszusehen, nicht so einfach machen,
weil sies einfach nicht können. Es gehört
überhaupt zu Thomas größten Stärken und
höchster künstlerischer Weisheit, in der Mache
niemals etwas über das Nötigste hinaus zu
tun; eher sündigt er gelegentlich im entgegen-
gesetzten Sinn.

Auf den von Trübner gegebenen Anstoß hat
dann die Nationalgalerie vor einem Jahr oder
so was endlich ein Bild von Thoma gekauft.
Und dieses Bild ist sicher nicht angeschafft,
um von Thoma abzuschrecken — was auch
schon dagewesen sein soll. Das ist ein Thoma
ersten Ranges. Die Natur ist darauf in großen
Zügen, die Mittel und Hintergründe sind so
weich und duftig gemalt wie nur bei irgend
einem großen Landschafter.

Mit dem Schwarzwaldbild von Thoma mußte
ich immer wieder den andern Schwarzwald

von Emil Lugo vergleichen. Die beiden im
Leben so innig Befreundeten sind doch ganz
verschiedene Künstlernaturen. Die „Mittags-
ruhe“ von Lugo ist als Bild sehr schön, ein
eigenartiger bewußter Künstlergeist spricht
daraus. Aber man sieht darin nicht so not-
wendig ein Stück Schwarzwald oder gar den
allgemeinen Charakter des Schwarzwalds wie
in dem Bild von Thoma mit gleichem Motiv.
Unerheblich mag sein, daß das Lugosche Bild
zeichnerischer behandelt ist. Es wirkt aber
vor allem komponiert. Thoma ist im besten
Sinn des Wortes der naivere Künstler, Lugo
hat andere Eigenschaften.

Das Bild von Lugo wurde sehr früh, schon
anfangs der achtziger Jahre, angekauft. Um so
mehr darf man sich wundern, daß es das
einzige geblieben ist, abgesehen davon, daß
Lugos Bilder immer auffallend billig zu haben
waren. Dies scheint sich nicht einmal nach
seinem Tod geändert zu haben. Von der Be-
handlung, die der künstlerische Nachlaß Lugos
in seiner Vaterstadt Freiburg erfährt, der er
ihn testamentarisch vermacht hat, erzählt man
sich haarsträubende Dinge. Zu kaufen freilich

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K. Spitzweg. Der Herr Pfarrer.
 
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