Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

DOI Heft:
Nr.12
DOI Artikel:
Rüttenauer, Benno: Neuere Erwerbungen der Nationalgalerie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0256

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
NEUERE ERWERBUNGEN DER NATIONALGALERIE.

sind die Bilder jetzt doch nicht mehr; aber vor
ein paar Jahren noch wäre das Beste daraus
um einen Spottpreis zu haben gewesen. Allen
Respekt vor den Waldmüller und Engert und
Hausmann, aber ein Künstler andern Kalibers
ist doch Emil Lugo.

Ist auch Karl Haider, dem sich ebenfalls
jetzt erst die Pforten der Galerie für ein Bild
aufgetan haben.

Über das Schicksal Böcklins in Berlin
brauche ich mich hier nicht auszulassen,
es ist bekannt genug; aber über die neueste
Erwerbung von ihm, die berühmte „Kreuz-
abnahme“, ist wohl ein Wort zu sagen.

Nicht nur Bücher, auch Bilder haben ihre
Schicksale. Böcklin hat dieses Bild seinerzeit
ausdrücklich für die Nationalgalerie gemalt. Es
wurde ihm zurückgewiesen, und an seiner Statt
wurde später die „Insel der Seligen“ bestellt.*
Das beispiellos solid gemalte Bild, dessen tech-
nische Struktur Bayersdorfer so sehr bewun-
derte, hat darauf, ohne Schaden zu leiden, eine
lange Kellerexistenz geführt, bis es bei Ge-
legenheit einer Münchener Ausstellung von
einem dortigen Kunstverleger für 20000 Mark
angekauft und für 50000 wieder verkauft wurde.
Auf welchem Wege die Nationalgalerie jetzt in
den Besitz des Bildes gelangt ist, ist mir un-
bekannt. Vielleicht durch Schenkung? Es wäre
eine rechte Ironie.

Böcklin hat nicht viele Bilder gemalt wie
dieses. Eine solcho Fülle lebensgroßer Figuren
ist sonst nicht seine Sache. Und es ist zu-
gleich sein farbenprächtigstes Bild. Aber trotz
dieser Farbenpracht steht es von der Grenze
des Bunten weiter ab als andere; die Farben
sind streng harmonisiert und durch einen
einheitlichen braunen Ton ruhig zusammen-
gehalten. Es wird außerdem stilistisch ge-
hoben durch die streng flächenhafte Behandlung.
Dadurch wie durch die Geschlossenheit der
Komposition überragt diese „Kreuzabnahme“
bei weitem die gegenüberhängende „Insel der
Seligen“. Sie enthält keine der diesem Künst-
ler eigentümlichen Phantasiegestalten und Er-
findungen und ist doch in höherem Grade ein
„Böcklin“ als viele andere. Böcklin hat in der
„Kreuzabnahme“ nicht nur die Konsequenzen
seiner Technik bis aufs äußerste getrieben, er
hat darin auch seine Anschauung von Malerei,
seinen Gegensatz zu aller großen Malerei seit
dem XVII. Jahrhundert in höchster Schärfe
ausgeprägt.

Man kann sich über diesen Gegensatz nicht
klar genug werden. Wer darüber im Dunkeln
tappt, den muß notwendig jeder Einwand

* So wurde mir mitgeteilt, Dafür garantieren kann ich
nicht. Tschudi, der zu den ,,Werken A. Böcklins in der
Kgl. Nationalgalerie zu Berlin“ — München, Phot. Union —
eine Art Geschichte dieser Erwerbungen geschrieben hat,
sagt nichts über die Kreuzabnahme.

gegen die Kunst Böcklins verwirren und
schwankend machen. In diesem Gegensatz
gerade beruht sein Wesen. Eines ist richtig,
Böcklin hat keinen sehr feinen und untrüglich
sicheren Sinn für Farbenharmonie. Er macht
oft sogar grobe Fehler. Aber wo ihm solche
Fehler nicht passieren, hat er Kunstwerke
geschaffen, deren formalen Wert, abgesehen
von ihrer „Seele“, erst spätere Zeiten in
seinem ganzen Umfang erkennen werden.
Unsere heutige Zeit, wo doch die meisten wirk-
lich künstlerischen Persönlichkeiten so durch-
aus im Banne der Malerei des XVII. Jahr-
hunderts stehen, ist zu dieser Erkenntnis und
Würdigung, dem populären Ruhm Böcklins zum
Trotz, weniger geeignet, als sie selber ahnen
mag; vielleicht ebensowenig, wie jenes Jahr-
hundert der drei größten absoluten Maler im-
stande war, etwa den künstlerischen Wert
gotischer Glasfenster in seinem ganzen Umfang
zu begreifen und jubelnd zu begrüßen. Der
Gedanke, das damals für möglich zu halten,
ist geradezu eine Lächerlichkeit. Jedes Jahr-
hundert hat seine besonderen Stärken und
seine — besonderen Borniertheiten. So hat z. B.
Ingres ein dreiviertel Jahrhundert auf Meier-
Gräfe warten müssen, um einen Kritiker zu
finden, der seinem Antipoden Delacroix und
ihm zugleich gerecht werden konnte!

Gerade vor der genannten „Kreuzabnahme“
in der Nationalgalerie wurde ich in dieser Auf-
fassung der Dinge wieder von neuem bestärkt
und mehr als je.

* *

*

Noch einige andere Bilder von Böcklin sind
neu in der Nationalgalerie: ein Frauenbildnis aus
der Sammlung Fiedlers in München und jenes
alte Bild „Faun und Nymphe“ aus den fünf-
ziger Jahren, das bekanntlich in letzter Zeit
eine eigentümliche Berühmtheit erlangt hat.
Und ebenso neu für die Galerie ist jener
„Innenraum“ von Menzel mit dem gleichen
frischgebackenen Ruhm. Ich habe das Bild
leider nicht gesehen, es war auf Ausstellungen
geschickt. Die Erwerbung dieser Frühwerke
unserer beiden berühmtesten Meister ist aber
auf alle Fälle eine feine und dankbare Tat.
Ich will auch gern glauben, daß mich der ge-
nannte „Innenraum“ wohl nicht so enttäuscht
hätte, wie das „Flötenkonzert“ und die „Tafel-
runde“, die ich nur von Reproduktionen her
noch deutlich in der Vorstellung hatte. Rein
auf die Malerei hin angesehen — der doch der
schärfste Verstand wohl nichts schaden kann —
überragen diese berühmten Leinwände die
Sachen eines Anton v. Werner nicht gerade
in verblüffender Weise. Ihren Ursprung von
einem Künstler verraten sie in ganz anderen
Dingen als in dem, wodurch sie Malerei sind.

* *

448
 
Annotationen