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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr.12
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Knorr, Theodor: Ringel-Illizach: ein elsässischer Bildner
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0261
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RINGEL-ILLZACH.

einem Arm ließ sich dem Marmor nicht viel
abgewinnen. So wurde er einesteils von neuem
den Bildnismedaillons zugeführt, dem Kunstzweig,
dem er sich bis heute mit wachsendem Erfolg
gewidmet hat, andernteils brachte er in jahre-
langem Experimentieren eine Wachsmischung
zustande, die seinem Bestreben nach Polychro-
mierung günstig war und nach seinen Erfah-
rungen sich unveränderlich erhält. Nach ein
paar Jahren Medaillenarbeit in Paris und im
Lande draußen er-
schien im Jahre 1878
sein Johannes der
Täufer in polychro-
mem Wachs, dem
schon einige andere
Arbeiten im gleichen
Material vorangegan-
gen waren. Mit dieser
Arbeit zog Ringel die
Aufmerksamkeit wei-
terer Künstler- und
Laienkreise auf sich.

Das ungewohnte Ma-
terial, dessen Aus-
drucksfähigkeit durch
die tiefe Farbenwir-
kung verstärkt wurde,
der Realismus der
Idee, welcher in dem
gespenstischen Aus-
druck dieses fahlen
Kopfes mit der bluten-
den Wunde zur Gel-
tung kommt, bildeten
das verblüffende Neue,
das die Beschauer, je
nach ihrer Natur, zu
freudiger Anerken-
nung oder kühler Ab-
lehnung reizte. Von
dieser Zeit an unge-
fähr begannen die
Wege des Künstlers
sich allmählich zu
ebnen. In den Aus-
stellungen, besonders
zu Paris, wo er ar-
beitete, sammelte sich
um seine Skulpturen
bald eine stets wach-
sende Gemeinde von Verehrern. Die Bildnis-
masken in polychromem Wachs, von denen
eine (S. 452) den Künstler in jüngeren Jahren
darstellt, bildete bald eine gesuchte Spezialität.

Das Wachs hatte es Ringel angetan; seine
Bildsamkeit im Verein mit der Farbengebung
ermöglichte den prägnanten Ausdruck dessen,
was er darstellen wollte. Es liegt etwas Musi-
kalisches in seiner Kunst. Der Musiker läßt sich
schon in der Wahl seiner Gegenstände erkennen,

soweit es sich nicht um Bildnisse handelt; wenn
man so sagen will, sogar in diesen letzteren.
Musikerköpfe scheint er mit besonderem Ver-
ständnis und Liebe behandelt zu haben. Die
Bildnismaske des verstorbenen Maurice Rollinat,
der in Paris als Musiker, Sänger und Dichter
eine Rolle spielte (im Besitze des bekmnten
Porzellanfabrikanten Haviland), ist ein gutes Bei-
spiel Ringelscher Porträtkunst. Sie macht auch
ersichtlich, in welcher Richtung die Polychromie

zur Gesamtwirkung
beiträgt, und läßt so-
gar in der einfarbigen
Wiedergabe ahnen,
wie die Farbentönung
durch das von der
mattglänzenden Ober-
fläche zurückgewor-
fene Licht an Ein-
heitlichkeit gewinnt,
eine Wirkung, die bei
getöntem Stein in die-
sem Maße nicht mög-
lich ist.

Auch beim Jago
ist der Kopf aus ge-
färbtem Wachs, die
Büste aus gegosse-
nem Eisen, dem je-
doch eine so eigen-
tümliche Patina ver-
liehen ist, daß, als
das Stück seinerzeit
auf der Ausstellung
erschien, niemand das
Material zu erkennen
wußte.

Die Köpfe, in denen
Ringel die neun Sym-
phonien Beethovens
charakterisiert, sind
gleichfalls aus diesem
Material. Sie stam-
men aus der zweiten
Hälfte der achtziger
Jahre. Nur ein Mu-
siker konnte sich einen
solchen V orwurf wäh-
len und nur ein Künst-
ler von großer Energie
und völliger Beherr-
schung seines Materials ihn ausführen. All
diesen Arbeiten hat Ringel einen ganz persön-
lichen Charakter eingehaucht, eine — wenn man
es so ausdrücken darf — zart musikalische
und dabei doch eindrucksvolle Stimmung.

Zu den ,,musikalischen“ Aufgaben, die er sich
in seiner Kunst gestellt, gehörte auch ,,der
Marsch Rakoczys“ und die Skizze zu einem
Berlioz-Denkmal, die er zu seinem eigenen
Vergnügen machte. In beiden tritt die Eigenart

Ringel-Jllzach. Skizze zu einem Berlioz-Denkmal.

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