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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 8
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Schur, Ernst: Die Raumkunst in Dresden 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0094
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DIE RAUMKUNST IN DRESDEN 1906.

Mohrbutter (sehr Hau) sind durch angefügte
Stühle, deren Lehnen in die Bilder hoch hinein-
ragen, einfach unmöglich gemacht. Ein Zimmer,
passend für Berlin W., geschmacklos, über-
iaden, protzig.
Professor Oriik vom Kunstgewerbemuseum
stellt in dieser Gruppe dekorative Wandbilder
aus, die lebhaftes Interesse erwecken müssen.
Zwar merkt man japanischen EinHuü sehr deut-
lich. In eigentümiich primitiver Stiiisierung
kehren zwei und zwei Figuren zwischen grünen
Bäumen, alles nur farbig leicht angedeutet,
wieder. Durch dieses sich wiederholende Motiv
erhäit die Wandfüllung dekorative Gliederung.
Perlmuttereiniagen sitzen apart im Biide und er-
höhen den Eindruck des Seitsamen, Eigenartigen.
Die andern Entwürfe schiießen sich farbig
mehr an die modernen Bilder an. Man denkt
an die Wiener Schule, an Klimt. Porträts,
sehr kräftig behandeit, die auch wieder an
japanische Köpfe denken lassen. Das Farbige
ist mit entschiedenem Geschick behandelt;
es sind dekorative Porträts. Sie wirken sehr
heil im Raum. Auch die großen Landschaften
mit den derben Konturen, den breiten Fiächen,
sind eigenartig. Ein Zimmer von A. Geßner
ruft eine harmonische Wirkung durch die
schwärzliche Färbung des Holzes (Wassereiche)
hervor. Holzintarsien und Elfenbein-Einiagen
sind geschmackvoll angebracht. Ailes ist mit
Maß gehandhabt. Die Formen streben, bequem,
praktisch zu sein. Das Weiß der Wände
schafft angenehme Abwechsiung.
Der Beriiner Gruppe ist gemeinsam, daß
diese Künstler offensichtiich dahin streben,
Luxuskunst zu geben. Sie woiien weniger
praktisch, ais luxuriös sein.
Spezieii Grenander muß sich vor dem Zuviei
hüten. Er muß neben dem kostbaren Schmuck
nachdrückiicheren Wert auf den organischen
Aufbau legen, so daß das Unausgeglichene der
Erscheinung zur Einheit wird. Auch die
Wiener Künstler iieben z. B. das Prächtige.
Aber der Prunk wird bei ihnen restios zur
Grazie. Bei Grenander klafft da vorläuhg noch
ein Widerspruch, so daß seine Möbel trotz
der modernen Form zuweilen noch bedenkiich
an die aiten Stilmöbel denken lassen, die mit
Prächtigkeit des Materials, überladenem Zierat
wirken wolien.
DARMSTADT. — STUTTGART.
Ähnliches strebt Oibrich an, mit dem wir
zu den Darmstädtern kommen. Er ist aber bei
weitem geschmackvoiier, und seine bizarrsten
Launen haben noch Sinn und Grazie. Ent-
gleist ist er nur — er ist ein problematischer
Künstler — in einem Damensaion, dessen Möbel
mit ihren dünnen geschweiften Beinen als eine
scheußliche Übertreibung und ais ein Auswuchs
des Geschmacks erscheinen. Dagegen ist das
Speisezimmer mit den von braunem Eichenhoiz

umkieideten blauen Mitteiteilen der Wände ein-
fach und schön. Auch das sich anschließende
Schlafzimmer hat hübsche soiide Formen. Das
Ganze wirkt dennoch apart. Hier sind die Möbel
grau und ebenso von Naturhoiz eingefaßt. Möbel
und Wände sind in beiden Räumen mit einem
Emaiiverfahren behandeit, das ebenso wie die
Konstruktion der Möbel patentiert ist. Die
farbige Giiederung gefälit daran.
Aifred Koch (Darmstadt) hat im Auftrage
des Magistrats der Stadt Königsberg ein Lese-
zimmer für das dortige städtische Museum aus-
geführt. Ein soicher Raum, in dem vieie
Menschen sitzen, soii Sammlung geben. Gerade
diese Wirkung hat Koch offenbar nicht an-
gestrebt. Der Raum wirkt zuerst verbiüffend.
Er ist voliständig, Wand, Puit, Stühle, in
dunkeiblauem Hoiz gehalten. Dadurch ist die
Wirkung nicht stiil genug. Das Auffallende
stört.
Auch Bernhard Pankok (Stuttgart) bevorzugt
in seinen Formen das Eiegante. Er legt natura-
listische Motive in kostbarer Einiegearbeit
auf die Platten der Tische, die Lehnen der
Stühle. Auf einem Flügel hnden wir eigen-
artige Gewächse in Perlmutter und bunten
Steinen. Aus einem Gebrauchsstück macht er
einen Gegenstand, der in ein Museum gehört.
Er fertigt Sessel (in rotbrauner Farbe), die wie
Tiere aussehen. Er betont so das Ziervolie
mehr ais das Praktische. Offenbar hat er Häckeis
„Kunstformen der Natur" eingehend studiert.
Die Lampen wirken in ihrer undeutiichen Kon-
struktion oberßächlich, kieinlich. Die Täfelung,
die den großen Schränken eingefügt ist, immer
für jedes Fach ein Abschnitt, zeigt ebenfalis
kleiniiche Muster, die auf die Ferne gar nicht
wirken. Ein Raum ist das also nicht, sondern
ein Nebeneinander. Immerhin ist Pankok im
einzelnen geschmackvoiier ais Grenander, dem
er ähnelt in der offensichtiichen Betonung des
Eleganten.
Überhaupt überwiegt in Stuttgart das Kapri-
ziöse. P. Hausteins Billardzimmer wirkt mit
den bronzefarbenen Ledersofas zu klobig. Das
Geseiischaftszimmer von H. von Heider ist
farbig gut gestimmt, weißlackiert mit graubraunem
Leder). Rud. Rochga steilt ein Privatkupferstich-
kabinett von intimem Charakter aus, dessen
helier Ton gefäiiig wirkt. In die Wand sind
auswechseibare Rahmen eingeiassen.
BREMEN.
Die Bremer Abteiiung ist mit viel Liebe
ausgestaltet. Bremen tritt damit zum ersten-
mal auf und geseilt sich den Städten zu, in
denen das moderne Kunsthandwerk PHege
ßndet. Bezeichnend für Bremen ist, daß das
Gewerbemuseum die Kräfte in sich sammelt.
Dieses Museum ist durch seine besondere
Organisation, die es andern Museen voransteilt,
wesentlich auf praktische Mitarbeit mit dem

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