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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 8
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Schur, Ernst: Die Raumkunst in Dresden 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0100
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DIE RAUMKUNST IN DRESDEN 1906.

mit Intarsien geschmückt ist. Die dunkle Tönung
des Flügels wirkt vornehm und dämpft den
Schmuck ab. An der Wand stehen biaue Sitz-
bänke; goldene und schwarze Schlängeilinien
iaufen abwechseind nebeneinander über die ge-
schliffenen Marmorpiatten der abschließenden
Halie. Aiies macht einen ernsten, würdigen
Eindruck, reich, doch ruhig; das Farbige fäiit
nicht auf, es dient der Architektur.
Bei Behrens berührt das sichere Arbeiten
angenehm. Er zwingt nichts Unmögiiches ab.
Er arbeitet mit der Industrie und belebt sie.
Darum bringt er auch mit sicherer Wirkung
ail das an, das irgendwie neue Versuche der
betreffenden Firmen darsteiit. Das Bewußte
tritt bei Behrens markant heraus und macht
das Künstlerische sich kiarer.
Der keramische Hof ist mit geibgrünen und
geibweißen Mosaikpiatten ausgeiegt. Der Boden
ist blau und gelb. Aber nur die Ränder ziert
diese farbige Nuance, sonst ist der Boden ein-
fach in schwarz und weiß gefügt. Die seitlichen
Wände des in der Mitte vertieften Hofes sind
in Schwarz und Braun gehalten. Auch hier ist
der Raumeindruck ein großer, den die piastische
Figur eines stehenden Jünglings von Bosseit
erhöht. Das angenehme Verhäitnis in der
Architektonik fällt auch hier als ruhige, ge-
schlossene Endwirkung auf.
Es folgt ein Empfangszimmer, dessen Möbel
mit Intarsien geschmückt sind. Die Decke be-
steht aus verschiedenen, einzelnen Teilen, die
zueinandergefügt werden können, so daß eine
Abwechslung in der Gestaltung möglich ist,
ohne daß immer neue Formen angefertigt
werden müssen. Ebenso bietet auch die Tapete
Möglichkeiten der Variation. Sie dient der
Raumgliederung, ist nicht überladen, sondern
zeigt auf grauem Grunde sich in Vierecken, die
die Wand in Flächen abteilen, kreuzende
Streifen, ein neues Prinzip, das architektonisch
von Wert ist und in der Herstellung denkbar
einfach ist. Man emphndet diese Gliederung
als angenehm. Rankenwerk, Rosetten füllen
diese Flächen dann aus. Der Tisch ist mit
Intarsienarbeit in Braun und Weiß auf schwar-
zem Grund versehen, macht einen lebhaften
und doch kräftigen Eindruck.
Außer Behrens' Räumen ist noch das Vesti-
bül von Bosselt zu erwähnen, das in seinem
gelblichen Licht — die Beleuchtungskörper sind
nicht sichtbar, sie erstrahlen oben hinter ver-
deckendem Rand — warm aufleuchtet, so daß
die Plastiken hierin, vor der hellen Wand,
wirksam stehen und das Material Leben zu
erhalten scheint.
Von J. Ehmcke ist ein Bücherzimmer zu
sehen, das in seiner breiten Anlage für den
Zweck geeignet ist. Nur am Schloß ist spar-
sam Intarsie eingelegt. Die Korbmöbel zeigen
brauchbare Form.

Das Speisezimmer von P. Bachmann (Köln)
ist etwas zu bunt. Das reichlich verschwendete
Material erfährt nicht rechte Gestaltung.
III.
Die verschiedenen Gruppen, die sich von-
einander absondern, sind nicht nur örtlich ge-
trennt. Es ist an gegebener Stelle zugleich
hingedeutet worden auf das Stilistische, das
sich in ihnen zum Ausdruck hindurchringt. Da
haben wir die Luxuskünstler und die Bedarfs-
künstler. Wieder andere knüpfen an die alte
Bauernkunst oder an den Stil von 1820 an.
Andere suchen den monumentalen Stil. Die
einen gestalten einen Raum architektonisch, die
andern farbig. Das erstere herrscht vor.
Die beiden sich anschließenden Abteilungen,
die der Raumkunst sich angliedern, geben
gewissermaßen in Einzelheiten die Begründung.
Kunsthandwerk und Kunstindustrie. Zwei um-
fassende Gebiete, die zusammen das ermög-
lichen, was die fertigen Räume zeigen.
Das Kunsthandwerk zeigt den mit der Hand
gearbeiteten Gegenstand. Die Volkskunstgibt
die örtliche Stiltradition, die, unbekümmert um
historische Stile, sich in einzelnen Bezirken
erhalten hat. Die Techniken illustrieren das
Materialgesetz; der Handwerker folgt hier dem
Stoff (Eisen, Porzellan, Glas) und macht den
Gegenstand, wie er notwendig sein muß. Die
Schulen beweisen, wie im gleichen Sinne der
Unterricht sich auf die Fortpßanzung dieser
natürlichen Tradition richtet. Und in der Ab-
teilung „Einzelerzeugnisse" ist eine kleine
Sammlung von künstlerischen Arbeiten ver-
einigt aus allen Gebieten Deutschlands.
Die dritte große Gruppe „Kunstindustrie"
zeigt die Tätigkeit der Maschine. Der Künst-
1er entwirft, und die Maschine stellt den Gegen-
stand her. Der Massenproduktion wird damit
eine künstlerische Anregung gegeben. In der
Art, wie hier Kunst und Fabrik zusammen-
gehen können, wie einzelne Industrielle das
zeigen, ist schon der Weg für die Zukunft vor-
gezeichnet.
So greift in dieser Ausstellung das Einzelne
sinngemäß zusammen und gibt ein Bild gegen-
wärtiger Kultur. Das Gute daran ist, daß nicht
mit der Gegenwart abgeschlossen wird, sondern
überall Anregungen gegeben sind, die in der
Zukunft noch ihre Wirksamkeit erweisen werden.
Die Hauptbedeutung liegt in der Raumkunst,
zu deren einheitlichem Bilde die verschiedenen
Gebiete sich zusammenschließen. Die Aus-
stellung repräsentiert ein Stück ernster Arbeit,
die in einem durchweg künstlerischen Rahmen
geboten wird. Sie gibt einen Überblick über
das gesamte moderne Kunstgewerbe und er-
öffnet damit zugleich Ausblicke in die fernere
künstlerische Entwicklung.

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