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KUNSTINDUSTRIE.
Classe römischer Emails festgestellt haben. Dazu gesellt sich ein an sich untergeordneter Unter-
schied in der Bildung der verdickten Enden der Blütenstengel, indem dieselben in den zuerst
genannten 21 Feldern durch massive Verbreiterung des Zellensteges, an den drei letzteren
hingegen durch Umbiegung des bis ans Ende die gleiche Stärke festhaltenden Steges hergestellt
erscheinen. Es leidet somit keinen Zweifel, dass wir es an der Krone der Lombarden mit Email-
arbeiten aus zweierlei verschiedenen Zeiten zu thun haben. Ob die 21 Felder mit byzantinischem
Email einer Erneuerung in der Zeit der Theodelinde oder aber einem späteren Zeitpunkte
zuzuschreiben sind, darf hier als minder wichtig dahingestellt bleiben. Dagegen möchte ich die
drei Felder mit rostbraunem Email entschieden der Entstehungszeit der Flasche von Pinguente
näher bringen, was auch der bekannten Tradition entspräche, welche die Anfertigung der Krone
mit Kaiser Constantin dem Großen und seiner Mutter in Verbindung bringt. Daraus gewinnen wir
das Ergebnis, dass das echte Zellenemail bereits in der Grenzzeit zwischen mittelrömischer und
spätrömischer Periode bei den Mittelmeervölkern in Gebrauch gestanden ist. Damit scheint aber
der altverbreiteten Meinung widersprochen, als ob das Zellenemail als eine ausschließliche Eigen-
thümlichkeit der ausgebildeten byzantinischen Kunst zu betrachten wäre. In diesem Punkte waltet
offenbar ein Missverständnis, das zu klären sich hier erwünschte Gelegenheit bietet.
Die ganze Geschichte des Emails im Alterthum lehrt, dass dasselbe niemals im künstleri-
schen Sinne Grubenemail, sondern immer mehr oder minder Zellenemail gewesen ist. Bei den
Egyptern war dies sogar in technischem Sinne der Fall; aber selbst im Latene-Email und in der
dritten römischen Email-Classe fehlt die wesentliche künstlerische Eigenschaft des echten Gruben-
emails (das heißt des nordischen vom XII. Jahrhundert an), wonach breite Metallflächen mit
ebenso breiten Farbflächen in ausgehobenen Gruben zusammen componiert erscheinen. Gerade
die wichtigsten und am zahlreichsten vertretenen Classen des römischen Emails — - die erste und
zweite — zeigen die Bronze zwischen den Farbfeldern lediglich oder doch nahezu auf lineare
Umrisse zusammengeschrumpft. Die Metallstege sollen die Einzelformen von einander isolieren:
sei es Theile eines animalischen Körpers, sei es solche von vegetabilischer Abkunft, sei es
endlich ebene Zonen mit farbigem Schmucke geometrischer Art. Genau dieselbe Aufgabe ist
aber späterhin den Goldstegen der byzantinischen Emails zugefallen. Begeisterte Lobredner der
byzantinischen Kunst, wie Kondakoff, haben freilich den eigentlichen Ruhmestitel ihrer Emails
darin erkennen wollen, dass diese sich zum erstenmale die von sämmtlichen früheren Kunst-
perioden vernachlässigte Aufgabe gestellt hätten, aucli die menschliche Figur zur Darstellung zu
bringen. Zur Widerlegung dieses Irrthums genügt der Hinweis auf die Fibel mit der Menschen-
niaske I af. VII. 7, an der man nur die in der Bronze ausgesparten Stege durch aufgelöthete Gold-
stege zu ersetzen braucht, um ein vollkommenes byzantinisches Email zu erhalten. Gerade dieses
Beispiel zeigt schlagend, wie alles am Kunstwollen und nichts an der Technik gelegen ist, wenn
ein Kunstwerk von einem bestimmten Charakter zustande kommen soll. Nun wird man es auch
nicht mehr als Anachronismus empfinden, wenn jene drei Zellenemail-Felder der Krone von Monza
bereits in constantinischer Zeit ihre Entstehung gefunden haben sollten. Der Wunsch, das kost-
bare Material zu schonen, würde allein hinreichend erklären, warum man in diesem Falle die
Stege aufgelöthet hat, anstatt sie im Grunde auszusparen. Denn nicht Grube oder Zelle, und
überhaupt nicht irgend ein technisches Nothmittel, sondern der gewollte Effect, das heißt die
farbige Erscheinung der begrenzten Form in Raum und Ebene, ist das Entscheidende, das einem
Kunstwerke seinen historischen Charakter gibt.
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KUNSTINDUSTRIE.
Classe römischer Emails festgestellt haben. Dazu gesellt sich ein an sich untergeordneter Unter-
schied in der Bildung der verdickten Enden der Blütenstengel, indem dieselben in den zuerst
genannten 21 Feldern durch massive Verbreiterung des Zellensteges, an den drei letzteren
hingegen durch Umbiegung des bis ans Ende die gleiche Stärke festhaltenden Steges hergestellt
erscheinen. Es leidet somit keinen Zweifel, dass wir es an der Krone der Lombarden mit Email-
arbeiten aus zweierlei verschiedenen Zeiten zu thun haben. Ob die 21 Felder mit byzantinischem
Email einer Erneuerung in der Zeit der Theodelinde oder aber einem späteren Zeitpunkte
zuzuschreiben sind, darf hier als minder wichtig dahingestellt bleiben. Dagegen möchte ich die
drei Felder mit rostbraunem Email entschieden der Entstehungszeit der Flasche von Pinguente
näher bringen, was auch der bekannten Tradition entspräche, welche die Anfertigung der Krone
mit Kaiser Constantin dem Großen und seiner Mutter in Verbindung bringt. Daraus gewinnen wir
das Ergebnis, dass das echte Zellenemail bereits in der Grenzzeit zwischen mittelrömischer und
spätrömischer Periode bei den Mittelmeervölkern in Gebrauch gestanden ist. Damit scheint aber
der altverbreiteten Meinung widersprochen, als ob das Zellenemail als eine ausschließliche Eigen-
thümlichkeit der ausgebildeten byzantinischen Kunst zu betrachten wäre. In diesem Punkte waltet
offenbar ein Missverständnis, das zu klären sich hier erwünschte Gelegenheit bietet.
Die ganze Geschichte des Emails im Alterthum lehrt, dass dasselbe niemals im künstleri-
schen Sinne Grubenemail, sondern immer mehr oder minder Zellenemail gewesen ist. Bei den
Egyptern war dies sogar in technischem Sinne der Fall; aber selbst im Latene-Email und in der
dritten römischen Email-Classe fehlt die wesentliche künstlerische Eigenschaft des echten Gruben-
emails (das heißt des nordischen vom XII. Jahrhundert an), wonach breite Metallflächen mit
ebenso breiten Farbflächen in ausgehobenen Gruben zusammen componiert erscheinen. Gerade
die wichtigsten und am zahlreichsten vertretenen Classen des römischen Emails — - die erste und
zweite — zeigen die Bronze zwischen den Farbfeldern lediglich oder doch nahezu auf lineare
Umrisse zusammengeschrumpft. Die Metallstege sollen die Einzelformen von einander isolieren:
sei es Theile eines animalischen Körpers, sei es solche von vegetabilischer Abkunft, sei es
endlich ebene Zonen mit farbigem Schmucke geometrischer Art. Genau dieselbe Aufgabe ist
aber späterhin den Goldstegen der byzantinischen Emails zugefallen. Begeisterte Lobredner der
byzantinischen Kunst, wie Kondakoff, haben freilich den eigentlichen Ruhmestitel ihrer Emails
darin erkennen wollen, dass diese sich zum erstenmale die von sämmtlichen früheren Kunst-
perioden vernachlässigte Aufgabe gestellt hätten, aucli die menschliche Figur zur Darstellung zu
bringen. Zur Widerlegung dieses Irrthums genügt der Hinweis auf die Fibel mit der Menschen-
niaske I af. VII. 7, an der man nur die in der Bronze ausgesparten Stege durch aufgelöthete Gold-
stege zu ersetzen braucht, um ein vollkommenes byzantinisches Email zu erhalten. Gerade dieses
Beispiel zeigt schlagend, wie alles am Kunstwollen und nichts an der Technik gelegen ist, wenn
ein Kunstwerk von einem bestimmten Charakter zustande kommen soll. Nun wird man es auch
nicht mehr als Anachronismus empfinden, wenn jene drei Zellenemail-Felder der Krone von Monza
bereits in constantinischer Zeit ihre Entstehung gefunden haben sollten. Der Wunsch, das kost-
bare Material zu schonen, würde allein hinreichend erklären, warum man in diesem Falle die
Stege aufgelöthet hat, anstatt sie im Grunde auszusparen. Denn nicht Grube oder Zelle, und
überhaupt nicht irgend ein technisches Nothmittel, sondern der gewollte Effect, das heißt die
farbige Erscheinung der begrenzten Form in Raum und Ebene, ist das Entscheidende, das einem
Kunstwerke seinen historischen Charakter gibt.
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