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Riegl, Alois
Das holländische Gruppenporträt (Band 1): Textband — Wien, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.8077#0126
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Bürgerngebildet, die aus freiem Antriebe sich für die Erreichung gewis-
ser gemeinschaftlicher Zwecke zu einer Korporation verbanden. Aber
der militärische Zweck, der namentlich bis zum Abschlüsse des West-
fälischen Friedens seine ständige aktuelle Bedeutung hatte, erforderte
zwingend ein größeres Maß an Subordination. Deshalb sind wir von nun
an vor den Schützenstücken fast nie mehr im Zweifel, wen wir für den
Kommandanten anzusehen haben: Kapitän, Leutnant und Fahnen-
junker sind die drei Chargen, die fast ausnahmslos mit aller wünschens-
werten Deutlichkeit gekennzeichnet erscheinen. Damit haben wir
bereits die Nennung einer entscheidenden Neuerung in der Gruppen-
porträtmalerei vorweggenommen: die im Grunde antik-italienische
Subordination, die zur nordischen Koordination einen Gegensatz bildet
und die darum im ältesten Gruppenporträt von I52Q—1566 trotz
öfterer Anläufe immer wieder zurückgedrängt worden war, dringt nun
in der neuen Periode nach 1580 im Prinzip durch. Nur hüte man sich
vor der Meinung, daß diese Neuerung durch die erwähnte militärische
Umgestaltung desSchützenwesens herbeigeführtworden ist:beide sind
vielmehr paralleleWirkungserscheinungen einer und derselben oberen
Triebkraft, die den Holländern jener Zeit auf allen Gebieten des Le-
bens, des sozialen wie des künstlerischen, eine straffere Unterordnung
der Teile unter ein beherrschendes Element als begehrenswerten
Ausdruck der Einheit des Ganzen erscheinen ließ.

Die Auflösung der alten Zünfte und ihre Reorganisierung nahm
eine längere Reihe von Jahren in Anspruch, während welcher be-
greiflichermaßen der Antrieb fehlte, dem in seinen Grundlagen also
schwankenden Schützenwesen künstlerischen Ausdruck zu verleihen.
Im Jahre 1580 war die Umgestaltung in Amsterdam im wesentlichen
vollzogen und eine Reihe zum Teil datierter Bilder vergegenwärtigt
die ersten Versuche, demneuenGeisteRechnungzutragen: soNr. 1331
des Rijksmuseums mit der Korporalschaft des Dirck JacobstRosecrans,1
datiert 1584, im Kataloge dem Cornelis Ketel zugeschrieben, und
Nr. 431 mit dem Datum 1588, in welchem van Riemsdyck und
Dr. J. Six ein Werk (und zwar das letzte) des Dirck Barendsz erkennen
wollen.* Alle diese Bilder suchen die alte Reihenkomposition mit
einer Raumkomposition und die symbolische Auffassung mit einem

i Die Bedeutung, die nun der Kapitän vermöge der strafferen militärischen Sub-
ordination in diesem reformierten Schützenwesen der Unabhängigkeitszeil gewonnen hat,
gelangte schon äußerlich in den Bezeichnungen der Schützenstückc der zweiten Periode
(Kompagnie, Halbkompagnie, Korporalschaft des Kapitäns, Lieutenants usw.) zum Aus-
druck, während die früheren einfach als «Rotten« dieses oder jenes Doelen bezeichnet
waren. Die Doelen hingegen, an welche diese Kompagnien usw. zunächst nach wie vor
gebunden blieben, fanden von nun an namentlich in Amsterdam in den Bezeichnungen
der Schützenstücke kaum mehr eine Erwähnung, worin sich der Rückgang des demokra-
tischen Geistes seit der Erringung des Selbstregiments nicht minder schlagend offenbart.

* Zu diesen Werken gehört auch das Schützenstück vom Jahre 1586, eines der
beiden nur in Nachzeichnung erhaltenen Schützenbilder des Dirck Barendsz, dessen
Komposition für die späteren Schützenstücke von besonderer Bedeutung ist (Tafel 25)

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