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subjektiv-momentanen Ausdrucksmittel lebhafterer äußerer Bewe-
gungen zu verbinden und auch eine wirksamere Subordination ein-
zuführen. Dieses unvermeidliche Stadium des Tastens erscheint
jedoch überwunden in einem signierten Bilde des Cornelis Ketel
von 1588, Nr. 1330 des Rijksmuseums (Tafel 23), mit der Korporal-
schaft desselben Kapitäns Dirck Jacobs Rosecrans, der sich mit seinen
Leuten bereits im Jahre 1584 hatte malen lassen. Daß wir mit diesem
Bilde einen ganz neuen Boden betreten, sagt uns schon die bisher un-
erhörte Darstellung der Schützen in ganzen Figuren. Im allgemeinen
hat man zwar auch späterhin im Gruppenporträt die Halbfigur bevor-
zugt, aus dem begreif liehen Grunde, um dem Antlitze, das ja gerade bei
den Holländern als Spiegel der Seele das weitaus Wichtigste am Porträte
war, durch die Beine und den durch diese unvermeidlich mitsugge-
rierten Bewegungseindruck nicht Konkurrenz zu machen. Aber daß
man es jetzt Uberhaupt gewagt hat, die Beine der Porträtierten sehen
zu lassen, beweist einen grundsttirzenden Wechsel der Auffassung.
Zugleich ist damit von vornherein gesagt, daß das nächste Problem,
dessen Lösung eben Cornelis Ketel unternahm, nicht so sehr in
einer subjektivistischen Steigerung und Fortentwicklung des psychi-
schen Ausdruckes als in einer solchen der äußeren, physischen Lebens-
erscheinungen gelegen war.

Wiederum fragen wir zuerst nach der Auffassung, die alle Glieder D;° Korporai-

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der Gruppe zu einer evidenten inneren Einheit verbinden sollte. Wie Kapitäns Dirck
die Figuren selbstbewußt dastehen, ohne sich Zwang anzutun, dahin nösecrans von
und dorthin blicken, zum Teil auch auf den Beschauer hin, aber ohne Cornelis Ketel.
Wechselverkehr untereinander, verraten sie auf den ersten Blick
durchaus kein einheitliches Gebaren, das einen gemeinsamen Impuls
vorraussetzen ließe. Von einer Mahlzeit kann keine Rede sein und
ebensowenig von der Ablegung eines Waffeneides. WTir sind daher
darauf angewiesen, die Aktionen der Schützen im einzelnen zu unter-
suchen, und da stellt sich heraus, daß jeder Schutze ohne Ausnahme
eine WTaffe in der Hand hält und die andere Hand, sofern sie frei und
sichtbar ist, mit einer einzigen Ausnahme in irgendeiner Weise tatlos
ruhen läßt Die Waffen sind verschiedenster Art, zum Schutz und
Angriff bestimmt: Lanzen, Schilde, Buchsen, Flamberge, Degen; nur
die Armbrust fehlt, obwohl die Korporalschaft dem Voetboogsdoelen
angehörte, woraus die nunmehrige Bedeutungslosigkeit des alten, an
die drei Wraffen geknüpften Gildenbegriffes deutlich hervorgeht. Das
Bedeutsamste ist nun, daß die Waffen nicht, wie einst als Symbole,
nur in den Händen einiger weniger, sondern aller zu sehen sind: sie
sind somit nicht mehr Symbole, d. i. absolute, objektive Attribute,
sondern momentane und individuelle subjektive Attribute, wie sie
ein betrachtendes Subjekt in irgendeinem gegebenen Augenblicke,
und zwar nicht in einem einzigen historischen (wie die Palmzweige
der Heiligen-Grabes-Pilger), sondern in einem öfter wiederholten,

III
 
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