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Rinne, Christoph
Odagsen und Großenrode, Ldkr. Northeim: jungsteinzeitliche Kollektivgräber im südlichen Leinetal — Rahden/​Westf.: Leidorf, 2003

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https://doi.org/10.11588/diglit.67240#0052
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Beiträge zur Archäologie in Niedersachsen 5

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in den Gräbern von Niederbösa und Ditfurt 1 (Feustel
1959, 235. Feustel/Ullrich 1964/65, 111; 113.
Matthias 1968, 16 ff. Abb. 2). Zu erwähnen ist jedoch
auch ein schnurkeramischer Eingriff in die Kammer 2
von Ditfurt, für die eine Interpretation als Nachbestat-
tung wegen fehlender Skelettreste auszuschließen ist
(D.W. Müller 1992, 224). Aufgrund der Störung in der
Kammer von Odagsen, die in der aufgedeckten Ausdeh-
nung nicht endneolithisch, sondern spätbronze-
/früheisenzeitlich zu datieren ist und somit auch den
schnurkeramischen Befund gestört hat, kann das Fehlen
von Knochen nicht als Argument gegen eine Nachbestat-
tung angeführt werden.
Die abschließende Deutung der schnurkeramischen Fun-
de im Odagser Kollektivgrab ist demnach nicht zweifels-
frei möglich. Eine intakte Fundsituation, mit ganzen
Gefäßen und erhaltenen Knochen, ist bei den nachfol-
genden Störungen der Kammer und der Lage im moder-
nen Pflughorizont nicht zu erwarten. Eine Randscherbe
mit Wellenleiste, wohl Rest eines entsprechend verzier-
ten Topfes, ist als Siedlungskeramik zu bezeichnen und
in Gräbern nur vereinzelt belegt, während die aufgefun-
dene Amphore als typisches Element in mitteldeutschen
Grablegen dieser Zeit bezeichnet werden kann. Zwei
Gefäße, Becher und Amphore, bilden nach Fischer
(1956, 124) die Standardausstattung schnurkeramischer
Bestattungen. Bis auf den Tausch von Becher gegen
Wellenrandgefäß entspricht das Ensemble aus Odagsen
dieser Beigabensitte. Auch anhand der Pfeilspitzen aus
der Nachbarschaft lässt sich kein weiteres Indiz für eine
Nachbestattung ableiten, da die seltenen Pfeilspitzen der
Schnurkeramik (Matthias 1982, Taf. 27,2; 43,8-10)
typologisch von denen der Bestattungszeit nicht zu un-
terscheiden sind und möglicherweise erst zu einem fort-
geschrittenen Stadium der Schnurkeramik in Gräbern
auftreten (Fischer 1956, 128). Desgleichen darf das
Fehlen einer facettierten Hammeraxt, charakteristisch für
schnurkeramische Bestattungen und bis in das südliche
Leinetal verbreitet, wohl kaum als Hinweis angeführt
werden (Brandt 1967, 79; Karte 11-14). Eine Ent-
scheidung, ob es sich bei den schnurkeramischen Funden
um ein Gefäßdepot oder eine Nachbestattung handelt,
kann mit letzter Sicherheit nicht getroffen werden.
2.3.4.2 Einzelgrabkultur
Die Bewertung von zwei unverzierten (soweit erkenn-
bar) endneolithischen Bechern gestaltet sich ebenfalls
schwierig (Gef. 299, 301, Taf. 42). Nach Struve würde
es sich um gleichmäßig s-förmig geschweifte Becher mit
breitkehliger Halsverengung handeln, die sich durch
dieses Profil und einen abgesetzten Fuß von den breiten
und gedrungenen Bechern ohne abgesetzten Fuß der
Schnurkeramik und Glockenbecherkultur unterscheiden
(Struve 1955, 42 f. Abb. 3,3; 53). Kritik an Struves
,jmpressionistischer“Gefäßgli ederung, deren ,Grundty-
pen“nicht reproduzierbar seien, wurde u. a. von Strahl
angeführt (STRAHL 1990, 41 f.).
Vier der sechs Fragmente des Bechers Gef. 299 fanden
sich im Pflughorizont am nördlichen Kammerrand im

Schnitt 1, die restlichen dürften als Streufunde wohl aus
dem unmittelbaren Umfeld stammen. Die zahlreichen
Fragmente des zweiten Bechers (Gef. 301) stammen fast
ausschließlich aus den Straten 1 bis 4 im Befund 19, der
Grube im Eingang. Lediglich ein Fragment, nicht sicher
anpassend, befand sich in der Störung der südlichen
Kammerwand (Bef. 23). Für eine Nachbestattung spricht
die auffällig hohe Anzahl von jeweils zugehörigen
Fragmenten, die bei zufällig aus dem Laufhorizont ein-
gelagerten Fragmenten nicht zu erwarten wäre. Bestärkt
wird dieser Eindruck durch den Bezug zum Grab, insbe-
sondere zum markanten Sandstein monolithen am Ein-
gang.
2.3.4.3 Glockenbecherkultur und Frühbronzezeit
Der Glockenbecherkultur sind die Fragmente der reich
verzierten Schale Gef. 250 zuzuweisen (Taf. 42). Die
Fußpartie des Gefäßes fehlt, so dass nicht mit Sicherheit
zu sagen ist, ob es sich um eine Fuß- oder Füßchenschale
handelt. Ein mit senkrechten Linien gefülltes Band, wie
es auf der Schale Gef. 250 zu sehen ist, findet sich auf
Funden aus Weissenfels und Lochau (GÖßLER 1909, Taf.
3,26; 7,16). Das Muster gegenständiger, liniengefüllter
Dreiecke im Metopenband der Schale findet sich auf
zwei Bechern aus Werningshausen und Schönstedt
(GÖßLER 1909, Taf. 2.13,14a). Ein nahezu identisches
Motiv im Metopenband zeigt ein Becher, der westlich
von Einbeck beim Bau der neuen Bundesstraße 3 zu-
sammen mit einem unverzierten Becher geborgen wurde
und wohl aus einem Grab stammen dürfte (WERBEN
1996, 35ff. Abb. 9; Taf. 1; 36,16.17). Die Fundstelle
liegt knapp 4 km nördlich der Grabanlage von Odagsen.
Ein Vergleich zu Gefäßform und Verzierung ist des
Weiteren vom,Nachtwiesen -Berg“bei Esbeck anzufü Ir-
ren. Hier fand sich in einem Grab neben vier Pfeilspitzen
und einem Griffzungendolch aus Kupfer eine Füßchen-
schale, deren Metopenband ebenfalls von Bändern mit
senkrechter Linienfüllung flankiert wird. Zudem weist
das Exemplar auch auf dem abgeflachten Rand eine
Verzierung auf, die auf der Abbildung jedoch nicht zu
erkennen ist (Thieme 1985, 135 f. Abb. 2). Darüber
hinaus sind für diese seltene Gefäßform kaum Verglei-
che anzuführen.
Ein weiteres Gefäß, die Tasse Gef. 26, kann zwar auch
mit einzelnen spätneolithischen und endneolithischen
Funden in Verbindung gebracht werden (Beran 1993,
Taf. 41,5. Knöll 1959, Taf. 10,12.14. Nagel 1985,
Taf. 81,39. Strahl 1990, Taf. 52,2), es drängen sich
aber überwiegend Parallelen zur Bronzezeit, insbesonde-
re der vorklassischen Aunjetitzer Kultur auf (Billig
1958, 30 Abb. 14,1; 37 Abb. 17,9. MiCHELS/ERDNiß
1939, 137 Abb. 3,1,2. Zich 1996, 57; Taf. 58; 535 Kl 52;
636).
Auch für das einzige vollständig erhaltene Gefäß, den
kleinen Becher Gef. 146 (Taf. 43), ist eine endneoli-
thische oder frühbronzezeitliche Datierung zu erwägen
(Strahl 1990, Taf. 17,1). Gerade in Hinblick auf die
Ähnlichkeit der endneolithischen und frühbronzezeit-
lichen Becher warnt Strahl davor, einzelne Gefäße vorei-
 
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