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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0072
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68

Die Befunde

(206 Inschriften) liegt. Die Gesamtanalyse aller afrikanischen
Grabinschriften, die einen Anteil von 18,9 % subadulten Indi-
viduen aufweist, hat gezeigt, dass die Aufstellungspraxis gleich-
mäßig für alle Altersklassen vorgenommen wurde291 und keine
Bevorzugung beispielsweise von Kindern vorkommt, wie sie
für andere Provinzen belegt ist292. Folglich kann das Thuggen-
ser Inschriftenmaterial in seiner Verteilung als repräsentativ
angesehen werden. Damit müssten — bei gleicher Sterbewahr-
scheinlichkeit im 5. Ih. n. Chr. und einer Normalverteilung
auf diesem Friedhofsareal - noch mindestens 43 Gräber er-
wachsener Individuen im Verhältnis zu denen der Kinder bzw.
Jugendlichen ergänzt werden. Die realen Anteile von bestatte-
ten subadulten Individuen zeigen jedoch, dass die Kinder im
Inschriftenmaterial Nordafrikas eher unterrepräsentiert sind.
Offensichtlich wurden nicht für sämtliche Verstorbenen dieser
Altersklassen Inschriften gesetzt, sodass das epigraphische Ma-
terial für die Region in sich zwar repräsentativ ist, sich im Ver-
gleich mit der Anthropologie aber Diskrepanzen aufzeigen, die
Zweifel an ihrer demographischen Aussagekraft aufkommen
lassen. Auf diese Problematik wurde an anderer Stelle bereits
hingewiesen293.
Ein Vergleich des vorliegenden Materials mit anderen Grä-
berfeldern auf Basis der metrischen Daten muss leider aus zwei
Gründen unterbleiben. Zum einen ergibt die geringe Indivi-
duenzahl aus der Grabung in Thugga keinen repräsentativen
Eindruck zur charakteristischen Ausprägung des lokalen Be-
völkerungshorizonts im 5.Jh. n. Chr. Zum anderen liegen
aus Nordafrika bislang kaum Vergleichsdaten vor, um durch
einen statistischen Vergleich Ähnlichkeiten und Unterschiede
herauszuarbeiten und im Zusammenhang mit den archäologi-
schen Informationen Aussagen zur Bevölkerungsart zu treffen.
Lediglich in wenigen Gräberfeldvorlagen (z. B. beim vandalen-
zeitlichen Friedhof in Karthago) ist im notwendigen Umfang
eine Erhebung von metrischen Daten durchgeführt worden294.
Dabei zeigt die oberflächliche Betrachtung, dass keine gravie-
renden Unterschiede zu den beiden Thuggenser Skeletten zu
beobachten ist. Für einen ausgiebigen Vergleich bleibt daher
die Vorlage weiterer anthropologischer Daten aus der Region
abzuwarten.

291 Szilägyi 1965; Szilägyi 1966. Dort wurden insgesamt 11750 Inschriften
zusammengestellt, von denen 2215 subadulten Individuen zuzuordnen sind.
Die Inschriften stammen aus folgenden Orten Nordafrikas (lat. Namen): Cirta,
Chulla, Milev, Rusicade, Lambaesis, Casteilum Celtianum, Carthago, Sicca Ve-
neria, Ucubi, Madauros, Thurbursicum Numidarum, Castrum Tidditanorum,
Theveste, Mastar, Ammaedara, Sigus, Mactar, Thibilis, Caesarea, Auzia, Cala-
ma, Sitifis, Thibursicum Bure, Thala, Maxula, Uchi Maius, Mustis, Masculula,
Thagaste, Simitthus, Altava, Thamugadi.
292 Clauss 1973.
293 Scheidei 2001.
294 Waith 2009, 288—291; 320-326. Osborne 1992, 269 gibt an, dass das
Knochenmaterial für eine Vermessung zu schlecht erhalten war.

Prähistorische Gräber I und II
Am Ende der Grabungskampagne 2002 konnten im unters-
ten statigraphischen Bereich der Grabung zwei Bestattungen
entdeckt und geborgen werden. Da zu diesem Zeitpunkt der
Autor bereits nicht mehr an der Grabung teilnahm, musste die
anthropologische Untersuchung anhand der Dokumentation
ohne Observation des Originalmaterials erfolgen. Die Auswer-
tung hat daher nur einen begrenzten Umfang.
Die der Untersuchung zugrunde liegende anthropologische
Methodik ist die gleiche, die auch bei den spätrömischen Be-
stattungen angewandt und dort beschrieben wurde (s.o.). Die
Erhaltung der Skelette aus diesen Gräbern variiert deutlich zu
der in den frühbyzantinischen Gräbern angetroffenen. Die
Knochenoberfläche ist stark durch das umgebende Bodenmili-
eu angegriffen. Die Knochen fanden sich in stark zerdrücktem
Zustand, was vermutlich auf die Bodenlast des darrüberliegen-
den, bis zu fast 3 m mächtigen Schichtenpakets zurückzufüh-
ren ist.
Bei beiden Skeletten lässt sich eine Ausrichtung des Kopf-
es nach Westen hin beobachten. Bei Grab I (Bef. 284, Taf. 7,
1. 2) ist eine Rückenlage des Oberkörpers zu vermuten. Die
Oberarme wurden bei diesem Individuum seitlich des Ober-
körpers positioniert, während der rechte Unterarm sich ausge-
streckt anschließt und der linke angewinkelt nach oben zeigt.
Hier sind die Beine in angewinkelter Position im Grab, jedoch
nur in einer 90°-Position. Im Grab II (Bef. 334, Taf. 8, 1.2)
liegt das Skelett komplett auf der rechten Körperseite. Die Hal-
tung der Arme bleibt bei diesem Individuum unsicher, wobei
sich möglicherweise eine nach unten ausgestreckte Lage des
linken Armes andeutet. Das Individuum liegt mit beiden Bei-
ne angehockt im Grab. Mit Ausnahme der Armposition kann
die Körperhaltung bei dieser Bestattung als eine Embryonal-
haltung beschrieben werden.
Für die Ermittlung des Sterbealters liegen lediglich einzel-
ne Schädelfragmente und die Abrasion der Zähne vor, die
nur eine grobe Alterseinordnung ermöglichen. Das Alter der
beiden Individuen kann anhand der mäßig fortgeschrittenen
Obliteration nur grob mit 25—40 Jahren angegeben werden.
Zur Präzisierung der Altersangaben wurden daher zwei Zähne
mittels Zahnzement-Annulation untersucht und ein Sterbe-
alter von 30-36 bzw. 37-41 ermittelt295.
Für die Geschlechtsbestimmung der Individuen stehen nur
sehr wenige Kriterien zur Verfügung. Beide Skelette zeichnet
ein relativ robuster Körperbau aus. Dieser Eindruck wird durch
die wenigen an den Knochen abgenommenen Maße (Tab. 5.
6) ebenso unterstrichen wie durch die Ausprägung vereinzelter
sekundärer Geschlechtsmerkmale, sodass beide Individuen als
eher männlich angesprochen werden.
Die Durchsicht der Knochen ergab nur wenige Hinweise auf
pathologische Veränderungen, die sich auf den Kiefer des In-
dividuums aus Grab I (Bef. 284) konzentrieren. Neben zwei
kariösen Zähnen und einem wahrscheinlich auf eine Karies
zurückzuführenden Abszess findet sich Zahnsteinbildung an
einem Oberkieferschneidezahn. Die Ursache eines Zahnver-
lustes lässt sich nicht mehr Hären, da die Alveole vollständig
295 s. Kap. III. 2. 3.
 
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