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Gebildc; die inncre Gleichheit der Menschen vor Gott
und Schicksnl kommt uns bei diesem Bilde zum Bewußt-
sein, und der Eindruck wird ebcn trngisch gcsieigert durch
die Größe der Opfer, nuf die der Streich gefnllen! —
Und das sollte nicht gemalt wcrden? Jcder Pinselstrich
Lessmg's bringt die Uebcrzeugung, daß es gcmalt werden
mußte. Dcsscn ungeachtet nennt ein„berlinerKunstfreund"*)
den Gegenstand unbedeutend, was der Maler selbst
dadurch naiv zugestanden, weil cr kurz darauf den Kloster-
hof, cine kleine Winterlandschaft, gemalt und densclben
Stoff hicr zur bloßen Staffage benutzt habe. Ein treff-
liches naives Zugeständniß, ein wunderbarer Richter!
Die Licbe konntc in dem tieffühlenden Herzen Les-
sing's nicht in leichten Schaumperlen der Freude sich
offenbaren, sondern auch hiec mußte der fcicrliche Ernst
des Gemüths und dcr trübe Gegensatz des Lebens, in
dem sich Vermcihlung und Tod nahe berühren, zur Er-
scheinung kommen. Deßhalb zeigte der Künstlcr in „Leo-
norens" Gestalt das „gebrochene Herz dcrLieb c".
Die „Hussitenpredigt" reicht noch tiefer in das Mark
des Gemüths, um die Neligion zu versinnlichen. Der
Moment der Glut, der innigsten Ueberzeugung, vor dcr
alle Schranken brechen, ist gewählt, und alle Nebenper-
sonen und Bciwerke sind behülflich, diesen Momcnt in das
klarstc Licht zu setzen. Welche Haltung, wclche Züge,
welches Auge in dem Prcdigcr! Bor ihm versinkt dcr
*) „Ueber dle heutige bildende Kunst ec." (Leipzig 1839)
S-itc 26.
Gebildc; die inncre Gleichheit der Menschen vor Gott
und Schicksnl kommt uns bei diesem Bilde zum Bewußt-
sein, und der Eindruck wird ebcn trngisch gcsieigert durch
die Größe der Opfer, nuf die der Streich gefnllen! —
Und das sollte nicht gemalt wcrden? Jcder Pinselstrich
Lessmg's bringt die Uebcrzeugung, daß es gcmalt werden
mußte. Dcsscn ungeachtet nennt ein„berlinerKunstfreund"*)
den Gegenstand unbedeutend, was der Maler selbst
dadurch naiv zugestanden, weil cr kurz darauf den Kloster-
hof, cine kleine Winterlandschaft, gemalt und densclben
Stoff hicr zur bloßen Staffage benutzt habe. Ein treff-
liches naives Zugeständniß, ein wunderbarer Richter!
Die Licbe konntc in dem tieffühlenden Herzen Les-
sing's nicht in leichten Schaumperlen der Freude sich
offenbaren, sondern auch hiec mußte der fcicrliche Ernst
des Gemüths und dcr trübe Gegensatz des Lebens, in
dem sich Vermcihlung und Tod nahe berühren, zur Er-
scheinung kommen. Deßhalb zeigte der Künstlcr in „Leo-
norens" Gestalt das „gebrochene Herz dcrLieb c".
Die „Hussitenpredigt" reicht noch tiefer in das Mark
des Gemüths, um die Neligion zu versinnlichen. Der
Moment der Glut, der innigsten Ueberzeugung, vor dcr
alle Schranken brechen, ist gewählt, und alle Nebenper-
sonen und Bciwerke sind behülflich, diesen Momcnt in das
klarstc Licht zu setzen. Welche Haltung, wclche Züge,
welches Auge in dem Prcdigcr! Bor ihm versinkt dcr
*) „Ueber dle heutige bildende Kunst ec." (Leipzig 1839)
S-itc 26.