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Mengs, Anton Raphael [Ill.]; Roettgen, Steffi [Oth.]
Anton Raphael Mengs 1728-1779 (Band 1): Das malerische und zeichnerische Werk — München: Hirmer Verlag, 1999

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.54691#0277

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Die anhand der Quellen nicht identifizierbare und der neueren
Literatur unbekannte Bildnisstudie zeigt große Ähnlichkeit mit den
Porträts der Maria Josepha von Sachsen, besonders mit dem Pa-
stellporträt von Maurice Quentin de la Tour, das 1750 von Paris nach
Dresden gesandt wurde (Dresden, Gemäldegalerie, s. Kat. 1979,
S. 359). Obwohl die Identität nicht mit Sicherheit geklärt werden
kann, sind die physiognomischen Ähnlichkeiten doch so auffällig,
daß sie bei ferneren Identifizierungsversuchen in Betracht gezogen
werden müssen. Maria Josepha war seit 1747 mit dem französischen
Thronfolger Louis, dem Sohn Ludwigs XV, verheiratet.
Die Frische und Lebendigkeit des Bildnisses, das alle Merkmale
einer Studie nach dem Leben aufweist, sprechen grundsätzlich nicht
gegen die Möglichkeit, daß der Maler sich einer gemalten Vorlage
bedient haben könnte, wie dies auch die Bildnisstudie für das Porträt
der Maria Luisa von Parma (Kat. Nr. 181) belegt. In Auffassung und
Stil bestehen enge Beziehungen zu den Bildnissen aus den Jahren
1750/51, besonders zum Porträt der Caterina Mingotti (Kat. Nr. 259).
Die leichte Unteransichtigkeit und die trotz des großflächigen Ge-
sichts anmutige und schmeichelhafte Darstellung erinnert noch an
die Pastelle aus den Jahren 1744 und 1745, aber die dichte und
lockere Malweise, die dem Gesichtsinkarnat eine weiche und plasti-
sche Erscheinung verleiht, ist eher charakteristisch für die Bildnisse
aus der zweiten Dresdner Schaffensperiode, wie nicht nur die Pa-
stellporträts des Kurprinzenpaares (Kat. Nrn. 154,163), sondern auch
das Bildnis der Kurfürstin (Kat. Nr. 169) zeigen.
187 Bildnis einer unbekannten Fürstin
Öl auf Leinwand, 48 x 40,3 cm
Bez.: a.d.v. Comprado por S.M. La Reina M.S. al Excmo.S.r. D. Jose Sala-
manca
Madrid, Patrimonio Nacional (Palacio Real de la Moncloa)
Provenienz
D. Luis de Bourbon; Jose Salamanca (1849)
Farben
Graues Kleid mit violettem Schimmer, Pelzumhang in Braun; kräftiges
Inkarnat mit Rosa, Augen graublau, Haare grau gepudert; Hintergrund
dunkel.
Bibliographie
Catalogo de la Galeria del Excmo. Sr. D. Jose de Salamanca. Madrid 1847,
S.19, Nr. 217; Catalogo de la Exposicion commemorativa de Centenario de
Goya, Madrid 1946, Nr. 187; Hönisch 1965, Nr. 133, S. 200
Die Provenienz aus dem Besitz des D. Luis de Bourbon läßt ver-
muten, daß es sich um einen Ankauf aus dem Nachlaß von Mengs
handelte.
Die Dargestellte galt bisher als Isabella Farnese, Mutter König Karls
III. von Spanien. Diese war jedoch zu dem Zeitpunkt, als Mengs sie
frühestens hätte porträtieren können - von 1761 bis 1766 -, bereits
um die siebzig Jahre alt. Abgesehen davon zeigen auch die Jugend-
bildnisse der Königinmutter keinerlei Ähnlichkeit.
Der aufwendige Brillantschmuck und die umgelegte Pelzstola lassen
vermuten, daß es sich um eine Fürstin handelt. Wahrscheinlich
gehört sie der Kurfürstlich-Sächsischen Familie an. Ihre Gesichts-
züge ähneln denen des Kurfürsten Friedrich Christian (Kat. Nr. 154).
Im Katalog der Slg. Salamanca wurde sie als »Princesa de Sajonia«
bezeichnet.


187

Das Bildnis trägt den Charakter einer Studie nach der Natur, die für
ein größeres Bildnis bestimmt war und deshalb nur im Gesicht
ausgeführt wurde, während die Gewandpartien nur flüchtig ange-
deutet sind. Stilistisch gehört diese Porträtstudie in die unmittelbare
Nähe der Bildnisse des sächsischen Kurprinzenpaares (Kat. Nrn. 153,
164).
Besonders deutlich wird diese Beziehung beim Vergleich mit dem
Pastellbildnis der Maria Antonia (Kat. Nr. 163). Porträtauffassung,
Blickrichtung und Ansicht des Kopfes sind in beiden Bildnissen eng
miteinander verwandt. Unterschiedlich ist dagegen die Modellierung
des Gesichtes und die Malstruktur. Die Oberfläche des Gesichtes
wirkt glatt und gespannt, gleichzeitig ist die Modellierung weni-
ger plastisch und auch weniger differenziert als im Bildnis der
Maria Antonia, vergleichbar dem Bildnis Annibalis in Mailand (Kat.
Nr. 191) von 1751/52. Gestützt auf den einleuchtenden Vergleich mit
dem Porträt der Maria Luisa von Parma schlug Hönisch eine Datie-
rung um 1765 vor. Dieses wirkt jedoch reicher und differenzierter in
der malerischen Qualität und auch eleganter in der Präsentation. Ein
Blick auf die Ölstudie zum Bildnis der Maria Luisa von Parma macht
den Unterschied deutlich. Die sächsischen Fürstenbildnisse wirken
neben dieser auf ihre Wirkung hin kalkulierten Schönheit naiv und
natürlich. Die Verschönerung der äußeren Erscheinung spielt in
ihnen eine geringere Rolle als die wirksame Hervorhebung ihres
herrscherlichen Anspruchs. In seiner kaum auf äußere Brillanz
zielenden Darstellungsweise verbindet sich das Madrider Porträt
eher mit ihnen. Das grobe Gesicht von leicht rustikalem Einschlag
ist der Wirklichkeit gegenüber weniger korrigiert als das graziöse
Bildnis der Maria Luisa von Parma.

Weiblich, regierende Häuser 257
 
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