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Roettgen, Steffi [Oth.]; Mengs, Anton Raphael [Ill.]
Anton Raphael Mengs 1728-1779 (Band 1): Das malerische und zeichnerische Werk — München: Hirmer Verlag, 1999

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.54691#0280

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Annibali in persona tanto era parlante.« Auch Annibali zeigte sich
von der Ähnlichkeit und Schönheit des Bildnisses überrascht. Die
Synthese von Ähnlichkeit und einer den geschmacklichen Bedürfnis-
sen der höfischen Gesellschaft angemessenen, schmeichelnden Por-
trätauffassung - das was Annibali hier mit Schönheit meint - sind in
der Tat die hervorstechenden Merkmale des Bildnisses.
Die individuelle Schilderung verbindet sich mit einer heiteren und
liebenswürdigen Selbstsicherheit der Pose. Die Lebendigkeit, mit der
der Dargestellte auf den Beschauer blickt, hebt die in der Pose
begründete Gesellschaftlichkeit des Annibali-Bildnisses bis zu einem
gewissen Grade auf. Der leicht lächelnde Ausdruck des Gesichtes
wirkt wie eine Bestätigung für Bianconis Erzählung über die Entste-
hung des Bildnisses, so als ob sich auf dem Gesicht des Sängers das
Interesse und Erstaunen wiederspiegle, das er dieser Porträtsitzung
entgegenbrachte.
Die Fähigkeit des Porträtisten, diesen situationsgegebenen Ausdruck
festzuhalten, machte den Unterschied gegenüber den Bildnissen des
Hofmalers Louis de Silvestre oder auch der Rosalba Carriera aus.
Der unmittelbare Erfolg, den Mengs’ Dresdner Pastellbildnisse hat-
ten, beruhte wesentlich auf dieser Eigenschaft des »ritratto parlante«.
Das dreiviertelfigurige Bildnis, das Mengs 1751 von Annibali malte
(Kat. Nr. 191), besitzt diese naive Unmittelbarkeit nicht mehr.

191 Bildnis Domencio Annibali (17057-1779)
Öl auf Leinwand, 125 x 95 cm
Bez.: (auf dem Sockel der Säule rechts im Hintergrund) Antonio Raffaello
Mengs dipinse l’amico Domenico Annibali l’anno 1750
Mailand, Pinacoteca di Brera, Inv. Nr. 706

Provenienz

1837 aus dem Besitz des Malers Giuseppe Finetti erworben

191


Farben
Goldgestickte Weste mit grünem Streumuster, brauner Justaucorps, rotbrau-
ner Mantel mit Pelzbesatz, weißes Spitzenhemd; graue Haare, gelbrosa
Inkarnat mit kräftigrosa Wangen und Lippen in starkem Rot; Hintergrund
graubraun-grünlich, links dunkelblaugrüner Vorhang.
Bibliographie
Bianconi 1780, S. 28,30/31; Prange 1,1786, S. 162/63; Cantalamessa Carboni
1858, Anh. S. 325; Woermann 1894, S. 90; Kirschner 1896 (Werkverzeichnis);
AK Florenz 1911, Nr. 73, S. 122; Voss 1924, S. 655; AK Bordeaux 1956, Nr. 141,
S. 75; AK Europäisches Rokoko - Kunst und Kultur des 18. Jahrhunderts.
München 1958, Nr. 136, S. 77; AK Rom 1959, Nr. 379, S. 153; Dizionario
Biografico degli Italiani. Bd. 3, Rom 1961, S. 354/55; Hönisch 1965, Nr. 82,
S. 88; Ottino Della Chiesa 1967, Tav. V; Roettgen 1968, S. 59; Benezit VII,
1976, S. 333; Pelzel 1979, S. 44; Sestieri 1,1994, S. 128
Sammlungskataloge: 1838, Nr. 272, S. 66; 1907 (Ricci), Nr. 706, S. 309; 1908
(F. Malaguzzi-Valeri), Nr. 706, S. 367/68; 1935 (Modigliani), S. 151; 1950, S. 129;
Kat. Pinacoteca di Brera. Mailand 1992, Nr. 101, S. 238-240
Ausstellungen: 1911, Florenz; 1956, Bordeaux; 1958, München; 1959, Rom
Obwohl Bianconi in seiner Biographie ausführlich über dieses Por-
trät spricht, kommt es weder in seinem noch in Azaras Werkver-
zeichnis vor. Laut Bianconi ließ Mengs das Porträt im Besitz des
Sängers in Dresden zurück. Er habe es »zur Schadloshaltung für
jenes im Pallast, welches der König zurückgehalten hatte« gemalt
(Kat. Nr. 190). Begonnen wurde es Bianconi zufolge etwa gleichzeitig
mit dem Bildnis Friedrich Augusts des Gerechten (Kat. Nr. 152),
wegen vieler anderer Aufträge aber nicht sofort vollendet, sondern
erst in der Nacht vor seiner Abreise nach Rom am 15.9. 1751 und
nicht, wie Woermann meinte, erst während der Italienreise. Am
Morgen seiner Abreise habe der Maler es dem König August III.
gezeigt, der daraufhin zu ihm gesagt habe: »Ich finde in diesem
Gemählde etwas gar Feines, welches ich nicht in den anderen von dir
für mich gemachten Bildern finde.« »Ja, Sire,« versetzte Mengs, »der
Freund ist darinn; eine Art von Personen, welche die Könige nicht
haben«.
Bianconi gibt als Entstehungsdatum des Bildes 1752 an und gibt die
Bildaufschrift im richtigen Wortlaut, jedoch mit dem falschen Datum
1752 wieder. Dies erklärt sich wohl daraus, daß er den Termin von
Mengs’ Abreise aus Dresden mit September 1752 statt mit Septem-
ber 1751 angibt (richtiggestellt bei Prange I, S. 163). Die Signatur
enthält dagegen das Datum 1750. Die einzige plausible, wenn auch
ungewöhnliche Erklärung für diesen Widerspruch könnte sein, daß
auf dem schon 1750 begonnenen Bildnis der Zeitpunkt des Beginns,
d.h. der Porträtierung, festgehalten wurde.
Die zeitliche Nähe des Bildnisses zum Porträt des Kurprinzen Fried-
rich Christian (Kat. Nr. 153) und zum in Dresden nicht mehr voll-
endeten Bildnis des Sir Hanbury Williams (Kat. Nr. 234) drückt sich
deutlich in der stilistischen Verwandtschaft aller drei Gemälde aus,
die aber auch die Spannweite der Ausdrucksmöglichkeiten erkennen
läßt, über die Mengs bereits während seiner zweiten Dresdner
Schaffensperiode verfügt. Der ausgesprochen offizielle und herr-
schaftliche Charakter des Annibali-Porträts, der sich vor allem in der
Wahl einer fürstlichen Pose dokumentiert, lassen die zitierte Kon-
versation zwischen August III. und Mengs verständlich erscheinen.
Während im späteren Porträtschaffen private Bildnisse und insbe-
sondere die von befreundeten Personen sich auch meistens im
Porträttyp von den offiziellen Bildnissen deutlich unterscheiden, hat
in der zweiten Dresdner Schaffensperiode eine solche auftrags-
bedingte Differenzierung noch nicht stattgefunden. Dies wird deut-
lich beim Vergleich des Annibali-Bildnisses mit dem des Kurprinzen
Friedrich Christian (Kat. Nr. 153). Durch die erhobene Haltung des
Kopfes und seine Seitwärtswendung erhalten beide Bildnisse einen

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