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mehr ganz im Sinne des Birgittenmeisters konzipiert. Auf ihn
geht, wie ich glaube, — und das von Dodgson erhoffte Auf-
tauchen der echten, Dürerschen Zeichnung des Türken wird
vielleicht einmal die Probe auf die Richtigkeit meiner Annahme
zulassen — der Einfall zurück, das Schärpenende, das auf dem
Stiche die rechte Hand des Großtürken zusamt dem Schwert -
griffe faßt, frei ausflattern zu lassen. Wie gern und oft hat
nicht der Birgittenmeister auf Schnitten und Zeichnungen sich
derartige Bildungen gestattet! Indem die Miene des Türken sich
auf der Zeichnung vom Bösartigen zum Nachdenklichen mil-
dert, nähert er selbst sich den Männerköpfen der großen Schnitte
des Schweißtuches B. App. 26 und des Ecce homo Pass. 174,
die der Birgittenmeister um das Jahr 1520 entworfen hatte.
Der Pilatus dieses Blattes und der Großtürke von 1523 könn-
ten ruhig ihre Plätze tauschen, ohne im neuen Rahmen irgend-
wie zu stören. Der Zweck der Kopie von 1523 ist nicht recht
abzusehen; fast scheint es, als wollte der fleißige Zeichner da-
mit wie ein Vierteljahrhundert vorher mit den Tarocchik opien
die Sammlung seiner Behelfe für fernere Arbeiten vermehren.
Im Gegensätze zum künstlerischen Werte des Blattes ist sein
Wert als Beitrag zur Charakterisierung des Urhebers außer-
ordentlich : die Gegenüberstellung des Türken von 1523 und
des Stiches Dürers von 1497 zeigt uns, ähnlich wie die Gegen-
überstellung des Crucifixusschnittes Pass. 175 und der Zeich-
nung Dürers L. 574, die als Vorlage dazu gedient hatte, daß
zwischen dem im Grunde doch hochkonservativen Birgitten-
meister und dem in steter Weiterbildung begriffenen Dürer zu
jeder Zeit ihres Nebeneinanderarbeitens zu tiefst in ihren Psy-
chen wurzelnde Unterschiede bestehen, die, einmal erkannt,
ein grundsätzliches Zusammenwerfen der beiden Individuali-
täten hinfürder verbieten.

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