Birgittenmeister das nähere Verständnis für die Möglichkeiten,
die die zwölf Blätter des Zoan Andrea bargen: 1513 erprobt
er als Graphiker ihre Wirksamkeit in der Säule des Pirkhei-
mer-Rahmens. Auf den abgeklärten und gegen den italienischen
Zauber mehr gefeiten Dürer, vor dessen Augen all dies
geschah, wirken die Stiche hauptsächlich durch die Baluster
des jungen Vischer, deren Modelle schon 1510 vorhanden
gewesen sein müssen, wie die Säule der Fugger-Zeichnung
Dürers L. 24 deutlich erkennen lässt. Das vorbildliche Bei-
spiel dieser Modelle äussert sich sodann in der grossen und
namenllich der kleinen Säule an der Mittelöffnung der Pforte,
an der Dürer seit 1512 arbeitet (Giehlow, Beitr. Wickhoff 93):
die Trommel der kleinen wiederholt das Hauptmotiv jenes Ba-
lusters der Nordseite nach Jess. 28,2 gestürzt1). So weit
allenfalls sind die Alten gewillt mit der Jugend zu gehen,
dann treten sie besonnen zurück. Schon in den Sockel-
partien der grossen Aussensäulen der Pforte nähert sich
Dürer wieder einfacheren Grundformen, die ihm das Beispiel
Vitruvs aufs eindringlichste empfahl, um nicht mehr von
ihnen zu lassen. Für den Birgittenmeister bezeugt das die
Säule des grossen Sebald von 1518; Dürer aber legt die Lehren
des alten Römers seinen Ausführungen über die Säulen in der
« Unterweisung » von 1525 geradezu zugrunde. Die Stiche des
Italieners sind dem Meister nur Fundort für Einzelheiten,
deren wechselnde Einfälle er in einer Auslese über die Pforte
verteilt. Ich nenne die Maske 29 (Jess. 28,1), die Elefanten-
köpfen ähnelnden Gebilde 24 (Jess. 28,3), den Adler in der
Ranke 27 (Jess. 29,1), die Greifen 24 (Jess. 27,1), das Motiv der
gefesselt hangenden Ungetüme 13 (Jess. 26,2 und 28,1), den
zum Herabspringen bereiten Drachen 24 (Jess. 26,2), die Sire-
nen-Gruppe 15, die sich aus Motiven zusammensetzt, wie sie die
Blätter Jess. 27,3 und 29,3 zeigen 2). In einem wesentlichen Be-
1 Ein beliebter Kunstgriff, den Dürer in seiner «Unterweisung» wieder-
holt empfiehlt: «wende daz vmb, so ist es aber anderst», «das vmkert ist
aber geendert» etc. (fol. G i).
2 In den Dürerteil des Gebetbuches kommen Elemente der Stiche fast
nur noch als Reminiszenzen aus der Pforte — anders verhält sich Hans
Vischer zu den Stichen —, doch dürften immerhin die auf Tierfüßen ruhenden
Kugeln fol. 53 und 56 auf Jess. 26, 2, das den Euß der Konsole 25 bewachende
geflügelte Tierpaar auf Jess. 27, 1 oder 27, 2 zurückgehen.
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die die zwölf Blätter des Zoan Andrea bargen: 1513 erprobt
er als Graphiker ihre Wirksamkeit in der Säule des Pirkhei-
mer-Rahmens. Auf den abgeklärten und gegen den italienischen
Zauber mehr gefeiten Dürer, vor dessen Augen all dies
geschah, wirken die Stiche hauptsächlich durch die Baluster
des jungen Vischer, deren Modelle schon 1510 vorhanden
gewesen sein müssen, wie die Säule der Fugger-Zeichnung
Dürers L. 24 deutlich erkennen lässt. Das vorbildliche Bei-
spiel dieser Modelle äussert sich sodann in der grossen und
namenllich der kleinen Säule an der Mittelöffnung der Pforte,
an der Dürer seit 1512 arbeitet (Giehlow, Beitr. Wickhoff 93):
die Trommel der kleinen wiederholt das Hauptmotiv jenes Ba-
lusters der Nordseite nach Jess. 28,2 gestürzt1). So weit
allenfalls sind die Alten gewillt mit der Jugend zu gehen,
dann treten sie besonnen zurück. Schon in den Sockel-
partien der grossen Aussensäulen der Pforte nähert sich
Dürer wieder einfacheren Grundformen, die ihm das Beispiel
Vitruvs aufs eindringlichste empfahl, um nicht mehr von
ihnen zu lassen. Für den Birgittenmeister bezeugt das die
Säule des grossen Sebald von 1518; Dürer aber legt die Lehren
des alten Römers seinen Ausführungen über die Säulen in der
« Unterweisung » von 1525 geradezu zugrunde. Die Stiche des
Italieners sind dem Meister nur Fundort für Einzelheiten,
deren wechselnde Einfälle er in einer Auslese über die Pforte
verteilt. Ich nenne die Maske 29 (Jess. 28,1), die Elefanten-
köpfen ähnelnden Gebilde 24 (Jess. 28,3), den Adler in der
Ranke 27 (Jess. 29,1), die Greifen 24 (Jess. 27,1), das Motiv der
gefesselt hangenden Ungetüme 13 (Jess. 26,2 und 28,1), den
zum Herabspringen bereiten Drachen 24 (Jess. 26,2), die Sire-
nen-Gruppe 15, die sich aus Motiven zusammensetzt, wie sie die
Blätter Jess. 27,3 und 29,3 zeigen 2). In einem wesentlichen Be-
1 Ein beliebter Kunstgriff, den Dürer in seiner «Unterweisung» wieder-
holt empfiehlt: «wende daz vmb, so ist es aber anderst», «das vmkert ist
aber geendert» etc. (fol. G i).
2 In den Dürerteil des Gebetbuches kommen Elemente der Stiche fast
nur noch als Reminiszenzen aus der Pforte — anders verhält sich Hans
Vischer zu den Stichen —, doch dürften immerhin die auf Tierfüßen ruhenden
Kugeln fol. 53 und 56 auf Jess. 26, 2, das den Euß der Konsole 25 bewachende
geflügelte Tierpaar auf Jess. 27, 1 oder 27, 2 zurückgehen.
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