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vordem. 1881 bis 1885 betrug der Jahresdurchschnitt des Aus-
wanderungsverlustes fast 200 000 Menschen — 1906 bis 1910
wenig mehr als den zehnten Teil davon!
Zweitens erfordert der G a n g der Volksvermehrung eine
genauere Betrachtung im einzelnen. Die jährliche Zuwachs-
rate entsteht durch den Überschuß der Geburten über die
Todesfälle. Es kann also eine schwache Geburtenziffer bis zu
einem gewissen Grade durch günstige sanitäre Verhältnisse, d. h.
durch eine niedrige Sterblichkeitsziffer, praktisch verbessert wer-
den. In Rußland ist die Geburtenziffer auf das Tausend der
Bevölkerung sehr hoch, aber auch die Sterblichkeit ist enorm,
und infolgedessen ist die Zuwachsrate der Russen nur wenig
höher, als die der Deutschen. Umgekehrt hätte sich in Frank-
reich der scheinbare Stillstand der Bevölkerung schon seit
längerer Zeit in absolute Abnahme verkehrt, wenn nicht die
Sterbequote sich gleichzeitig verbessert hätte. Auch bei der
denkbar größten Vervollkommnung des Gesundheitswesens muß
einmal natürlich die Grenze erreicht werden, über die hinaus
dem Sterben sein Recht bleibt, aber was in den letzten Jahr-
zehnten dem Tode an Leben abgenommen wurde, das ist be-
deutend mehr, als man zunächst glaubt. 1875 zählte Deutsch-
land 42,5 Millionen Menschen. Von diesen starben im Jahr 1,25
Millionen oder 29,3 vom Tausend. 1910 betrug die Bevölkerung
65 Millionen, war also um 22,5 Millionen gewachsen, aber die
um ein starkes Drittel vermehrte Volksmenge verlor nur noch
1,20 Millionen Menschen, 19 vom Tausend, durch den Tod.
Während des Jahrzehnts von 1900 bis 1910 starben trotz des
enormen Wachstums der Volkszahl in Deutschland weniger
Menschen, als eine Generation früher 1870 bis 1880. Der
wachsende Wohlstand, die Schulbildung, die Kanalisation und
Hygiene, die Arbeit der Ärzte hat dem Tode ein merkwürdig
gewaltiges Halt geboten. In einzelnen Jahren versuchte er
vordem. 1881 bis 1885 betrug der Jahresdurchschnitt des Aus-
wanderungsverlustes fast 200 000 Menschen — 1906 bis 1910
wenig mehr als den zehnten Teil davon!
Zweitens erfordert der G a n g der Volksvermehrung eine
genauere Betrachtung im einzelnen. Die jährliche Zuwachs-
rate entsteht durch den Überschuß der Geburten über die
Todesfälle. Es kann also eine schwache Geburtenziffer bis zu
einem gewissen Grade durch günstige sanitäre Verhältnisse, d. h.
durch eine niedrige Sterblichkeitsziffer, praktisch verbessert wer-
den. In Rußland ist die Geburtenziffer auf das Tausend der
Bevölkerung sehr hoch, aber auch die Sterblichkeit ist enorm,
und infolgedessen ist die Zuwachsrate der Russen nur wenig
höher, als die der Deutschen. Umgekehrt hätte sich in Frank-
reich der scheinbare Stillstand der Bevölkerung schon seit
längerer Zeit in absolute Abnahme verkehrt, wenn nicht die
Sterbequote sich gleichzeitig verbessert hätte. Auch bei der
denkbar größten Vervollkommnung des Gesundheitswesens muß
einmal natürlich die Grenze erreicht werden, über die hinaus
dem Sterben sein Recht bleibt, aber was in den letzten Jahr-
zehnten dem Tode an Leben abgenommen wurde, das ist be-
deutend mehr, als man zunächst glaubt. 1875 zählte Deutsch-
land 42,5 Millionen Menschen. Von diesen starben im Jahr 1,25
Millionen oder 29,3 vom Tausend. 1910 betrug die Bevölkerung
65 Millionen, war also um 22,5 Millionen gewachsen, aber die
um ein starkes Drittel vermehrte Volksmenge verlor nur noch
1,20 Millionen Menschen, 19 vom Tausend, durch den Tod.
Während des Jahrzehnts von 1900 bis 1910 starben trotz des
enormen Wachstums der Volkszahl in Deutschland weniger
Menschen, als eine Generation früher 1870 bis 1880. Der
wachsende Wohlstand, die Schulbildung, die Kanalisation und
Hygiene, die Arbeit der Ärzte hat dem Tode ein merkwürdig
gewaltiges Halt geboten. In einzelnen Jahren versuchte er