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Rohrbach, Paul
Der deutsche Gedanke in der Welt — Düsseldorf [u.a.]: Langewiesche, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.68893#0245
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239
gegenüber tut, weil sie die französische Kultur im Orient
in die Höhe bringen.
Das zweite Gebiet, das wir besonders vor Augen haben,
wenn es sich um deutsche Kulturpolitik in der Welt handelt,
ist China. Ostasien bietet uns das wunderbarste Beispiel, wie
durch die Entwicklung des Weltverkehrs im Laufe der letzten
Jahrzehnte immer mannigfachere und kräftigere Berührungen
zwischen allen Ländern, Nationen und Kulturen des Erdballs,
auch denen, die bisher ein ganz abgeschlossenes Dasein geführt
hatten, eingeleitet wurden und in Gang kamen. Bezeichnender
Weise aber war bis vor kurzem die Tatsache, daß China vor
unseren Augen in eine Periode entscheidender Umwandlungen
getreten war, in Deutschland überhaupt so gut wie unbekannt.
Äußerlich datiert der Beginn des chinesischen Reformzeitalters
vom Ausgange des russisch-japanischen Krieges 4904/05. Der
Sieg Japans über Rußland überzeugte die chinesische Regierung
und den maßgebenden Teil der öffentlichen Meinung, daß es
nicht möglich war, sich länger der Modernisierung des Staats-
lebens zu verschließen. In Wirklichkeit waren die ersten Keime
der Krisis, deren vorläufigen Höhepunkt wir jetzt eben erst
erlebt haben, in den Boden der chinesischen Entwicklung
hineingesenkt worden, als die englischen Kanonen im Opium-
kriege von 1840 zuerst die Öffnung des Landes für den aus-
wärtigen Handel erzwangen. Jahrzehntelang blieben die Wir-
kungen des Kontakts zwischen der westlichen und der chi-
nesischen Kultur scheinbar minimal und beschränkten sich auf
die kleine Zahl der Hafenplätze, in denen Europäer und Chi-
nesen miteinander verkehrten, und daneben auf die bewaff-
neten Konflikte, in denen der Widerstand des viertausend-
jährigen Reiches der Mitte gegen die Forderung der westlichen
„Barbarenvölker“, es solle an Handel und Wirtschaft der
übrigen Welt teilnehmen, gebrochen werden mußte.
 
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