Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0264
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
250

XXXIX
Neapel kann sich rühmen, in der Kartause von S. Martin das schönste Museum
für die Kunst vom Ausgange der 1500 bis zur Mitte der 1600 zu besitzen.
Eine Sammlung, wie sie glänzender nicht wohl gedacht werden kann; denn jedes
Werk steht oder hängt noch an der Stelle, für die es künstlerisches Empfinden
bestimmt hatte. Unverändert ist die Umgebung geblieben. Nur die weißen Kutten
der stillen würdigen Mönche fehlen, und kein Weihrauchschwaden durchzieht mehr
den goldglänzenden Raum der Kirche, verliert sich an der Decke, hüllt die Meister-
werke eines Ribera in mistisches Dunkel. Wenn irgendwo, so wird man hier
Verständnis für eine Kunst finden, die lange über Gebühr mißachtet, weil sie eine
andere Sprache redete wie die Rafaels und seiner Nachfolger, allmälich gewürdigt
wird als das, was sie ist: eine dekorative Verbindung des Malerischen mit dem
Plastischen und Baulichen, wie sie glänzender weder vorher noch nachher verwirklicht
worden ist. Daß dabei die einzelnen Bestandteile als solche nicht immer Meisterwerke
von Rang sind, liegt in der Natur dieses Stiles, und es würde ihm widersprechen,
wollten wir die Bilder auf Kosten der plastischen Werke, diese aber in Gegensatz zu
den Bauformen im Ganzen wie im Einzelnen herausloben: Die Einzelwerke seien daher
bei den Meistern, hier mehr das Ganze als solches betrachtet.
Dabei haben wir es, wenn auch nicht mit neapolitanischer Kunst, so doch
größtenteils mit heimatlichen Künstlern zu tun. Denn diese Kunst selbst ist nicht
auf Neapler Boden entstanden, nicht einmal aus seinem Geiste geboren: aber, sie fand
hier sehr glänzende Vertreter, und einmal heimisch geworden ist das reichste Barock
es bis auf den heutigen Tag geblieben, hat Neapel seinen Stempel aufgedrückt. Es
war empfänglich für diesen Glanz und für die bewegliche Pracht der Farben und
Formen, deshalb nahm es den Stil in seine Sele auf. Aber festhalten müssen wir:
es hat ihn weder geschaffen noch auch nur nennenswert gefördert. Mit dieser Ein-
schränkung verdient die Kartause von S. Martin das hohe Lob, das ihre Neapler Kunst-
freunde im Stolz des Besitzes ihr spenden, verdient auch seitens des Kunstfreundes
mehr als den flüchtigen Besuch, der noch nach dem unvergleichlichen Blick vom
schönsten Lug-ins-Land der Welt über die Häusermassen Neapels, seinen unvergleich-
lichen Golf und die Berge von Sorrent hinaus für seine Kunst übrig zu bleiben pflegt.
Fremde Künstler, die nur gelegentlich nach Neapel kamen, wenn sie nicht ein-
fach ihre Werke schickten, sind hier ebenso vertreten wie solche, die hier lange Jahre
wirkten, und einheimische, die uns die eigentliche Neapler Kunst darstellen.
Unter den Gelegenheitsmeistern, die wohl nie in Neapel waren, finden wir ein
»von dem man glaubt, er sei am Leben und verfertigte sehr schöne Sachen in Gestalt von
Landschaften und kleinen Figuren.« Es handelt sich um den Historien- und Landschaftsmaler
Franciscus de Neve, geboren am 11. Juni 1606 in Antwerpen, gestorben angeblich 1681 in
Brüssel (v. Wurzbach). Franz de Neve befand sich also um 1667/68 in Neapel. — Vgl.
auch Houbraken-Wurzbach S. 481
 
Annotationen