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Rott, Hans
Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur Gründung Karlsruhes — Karlsruhe, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.8256#0023
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oberschwäbischen Bildschnitzer der große Hochaltar zu Besigheim zugeschrieben, ein ganz-
geschnitztes, unbemaltes Riesenwerk, an dem mehrere Gesellen mithalfen, dessen Figuren
aber aufs deutlichste in Technik und Auffassung auf die Meisterhand Christophs von Urach
hinweisen, da die stilistischen Merkmale der Hauptgruppe, vermutlich einen Exorzismus des
hl. Cyriak wiedergebend, greifbar und schlagend die Zusammenhänge mit dem Ehinger Skulp-
turenwerk, vor allem aber mit späteren figuralen Schöpfungen des Künstlers darlegen. *)

Mit diesem gewaltigen Altarstück aus den 20er Jahren, das im Ornament, in Tracht
und Haltung des Statuarischen schon den kommenden Renaissancestil deutlich bekundet,
führt sich Meister Christoph in den badischen Dienst ein. Denn Besigheim war damals ein
zu Baden-Durlach gehöriges Landstädtchen und kam erst 1595 an Württemberg. Ob aus
Christophs Werkstatt auch die ehemalige Markgrafenfigur des dortigen Marktbrunnens stammte,
läßt sich nicht mehr beurteilen, da die ursprüngliche 1864 durch einen Orkan abgeworfen
wurde und dabei in tausend Stücke ging.2)

Dagegen ist eine andere Platzzierde, der Markgraf-Ernst-Brunnen zu Pforzheim, dem Uracher
Meister ziemlich sicher zuzuweisen. In Betracht kommt heute leider nur mehr der ver-
stümmelte achteckige Sockel, der in überraschender Ähnlichkeit mit dem Uracher Taufstein
acht Halbfiguren bürgerlicher Herkunft mit denselben Schriftrollen und in gleicher Anord-
nung und figürlicher Auffassung zwischen Wimpergen, Fialen und Kreuzblumen aufweist. Die
Standfigur selbst, der »Mann auf dem oberen Marktbrunnen« mit der unmöglichen Rüstung
und der fehlenden Schamkapsel (ganz mißverstandenen Lendnern und neuzeitlichem Schild), der
1687 von dem Pforzheimer Maler Wolf Walter abgenommen, erneuert und wieder bemalt
wurde;3) der um 1856 von dem Bildhauer Meyerhuber eine moderne Haupthaar- und Schnurr-
bartfrisur und andere Zutaten sich gefallen lassen mußte; der infolge des neuen Bahnhof-
baues und anläßlich der Legung der Wasserleitung 1876 vom unteren Ende der Schloßberg-
straße dem Verkehr weichen und nach dem Leopoldsplatz wandern, 1911 wegen äußerster
Schadhaftigkeit wieder herabsteigen und sich einer neuen Restauration und Ergänzung durch
einen modern-gotischen Figurensockel' unterziehen mußte, um jetzt (1916) seine vermutliche
Ruhe im Lichthof des Rathausneubaues zu finden: dieser Markgraf ist keine historische
Erscheinung im strengen Sinne mehr, wenngleich die ursprüngliche Statue, wie einst die
unten angebrachte, mit fürstlichem und städtischem Wappen versehene Tafel besagte, von der
jungen Residenz Pforzheim 1538, also drei Jahre nach ihrer Erhebung (wie später Durlach),
dem Landesfürsten zu Ehr und dem Markt- und Stadtrecht zum schützenden Symbol errichtet
worden ist.

Die Inschrift auf der Tafel, die unter dem kunstsammelnden Großherzog Leopold nach
Ebersteinschloß gebracht wurde und dort in die Mauer des inneren Hofes eingelassen ist,
lautet: »Ano MDXXXVIII principe Hernesto marchione Badensi civitas Phorcensis f(ieri) fecit.«
Nach Prüfung der Quellen scheint es mir fast ausgeschlossen, daß hier eine Gründungs-
inschrift des Pforzheimer Stadtschreibereigebäudes gemeint sein kann, da Bauinschriften dieser
Zeit lapidarer und in anderer Formel lauten. Die Brunnentafel wird wohl anläßlich der
Restauration 1687 entfernt und nach dem Franzosenbrand an dem gegenüber stehenden Haus,
der damaligen Stadtschreiberei an der Ecke der Schloßbergstraße und des Marktplatzes, ein-
gemauert worden sein. 4)

') Schütte, 1. c. p. 127, 143. Abb. Taf. 4 und die dortige reiche Literat, über den Besigheimer Hochaltar.

-) Nach den Trümmern wurde 1867 die jetzige angeblich genau kopiert. »Die anfänglich gehegte Absicht,
an Stelle des Jörg' eine wasserspendende Nixe von Eisenguß aufzustellen, kam zum guten Glück nicht zur Aus-
führung, vielmehr entschloß man sich . . . eine genaue Nachbildung des mühsam wieder zusammengesetzten Stand-
bildes fertigen zu lassen.« Fr. Breining, Alt-Besigheim, 1903, p. 17 und 235.

:i) Pflüger, 1. c. 455: »Von Maler Wolf Walter erneuert und gemalt, wieder aufgezogen und friscn gesetzt.«

4) S. Fr. Gehres, Pforzheims Kleine Chronik 2 1811 p. 20; Pflüger, Gesch. der Stadt Pforzh. p. 275; E. Wagner
in Z.G.O.2 XVII, 123 ff. Zu Pflügers Zeit war die Tafel, die er nicht mehr sah, schon auf Ebersteinschloß.

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