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Rott, Hans
Kunst und Künstler am Baden-Durlacher Hof bis zur Gründung Karlsruhes — Karlsruhe, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.8256#0076
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hat Meister Kraus neben seiner verstorbenen Gemahlin Elisabeth — »cum chara forma et
virtutibus clara« — ebenso sicher getroffen wie der Literat Pantaleon, der ihn in seinem
Helclenbuch aus persönlicher Bekanntschaft mit den Worten skizziert: »Est Martinas justae
staturae et liberalis formae homo, qui omni melancholia semota cum aequalibus liberaliter degit
et summa humanitate dignos prosequitur.« *)

Einige Beschädigungen, die angeblich von der russischen Einquartierung in der Stifts-
kirche 1813 herrührten, hat die Restauration recht und schlecht wieder verwischt, dabei der
Frau Gößlin eine etwas große Krause in Steinkitt um den Hals gelegt und ein paar Gips-
engel eingeschmuggelt, die dem Betrachter nach einigen Momenten den bekannten nach-
träglichen Kunstärger verschaffen.2) Vom Meister dieses Werks und dem Schöpfer der
Gottesauer Giebelfiguren ist aus seinem späteren Leben bis jetzt nichts bekannt geworden.

Für die Vertäfelungen der Wände, die Türeinfassungen und vor allem für die Herstellung
der Decken suchte Markgraf Ernst Friedrich die ersten Meister in diesem Fach zu gewinnen.
Durch den Baumeister war 1589 bereits sein Freund, der Straßburger Stadtschreiner Veit Eck,
gewonnen worden, jener treffliche Kunsttischler, der mit seinem Kollegen Jakob Guckeisen,
einem Schüler Meister Schochs, seltene Kupferwerke, Vorlagetafeln für Architekten, Stein-
metzen und Schreiner herausgab.3) Da Eck wegen Krankheit in seiner Familie Straßburg
nicht verlassen konnte, wurden die Arbeiten dem Ulmer Kunsttischler Andreas Jäger über-
tragen, einem Schwager des Durlacher Magisters und Predigers Georg Hehl (Eremita), durch
den der Meister wohl nach der Gottesau gekommen ist, und der anläßlich des am 20. Juni 1590
von Paul Murer mit Jäger geschlossenen Verdings Bürge für ihn wurde.4)

Jäger hatte schon 1584 Urlaub von Ulm nach auswärts erhalten; am 30. Januar 1590
empfing er einen solchen von der Stadt Ulm auf fünf Jahre für seine Reise nach Durlach.0)
Im November 1594 und 1599 wurde er jedesmal auf weitere fünf Jahre an den Durlacher
Hof beurlaubt; das letztemal bürgte für ihn sein Bruder, ebenfalls ein Ulmer Kunstschreiner.<!)
Denn Jäger war bereits Michaeli 1592 zum ständigen Hofschreiner vom Markgrafen ernannt
worden mit einem Gehalt von 150 Gulden nebst Naturalbezügen. Nach dem Tode seines
Auftraggebers kehrte er vermutlich wieder nach Ulm zurück, wo wir ihn noch 1618 am
Leben finden. Damals trug er der Stadt seine mannigfachen »Künste« an.7)

Umfangreiche Kunsttischlerarbeiten hatte Jäger während der vielen Jahre im Schloß
Gottesau und wohl auch in der Durlacher Residenz auszuführen. Die unvollständig erhaltenen
Bauakten der Gottesau berichten von einer Türnitz und einem großen Saal im dritten Stock,
wohl dem Hauptfestsaal des Schlosses, den eine riesige Holzdecke überspannte, welche in 38
geometrische Felder eingeteilt war zur Aufnahme von Leinwandbildern, die der später genannte

') Pantaleon, Prosopographia III (1566) p. 469.

2) Zu Genres' Zeit, 1811 (2. Aufl.), der die Figuren als »sehr künstlich ausgehauen« bezeichnet, war noch
keine Verstümmelung des Denkmals wahrzunehmen; erst Pflüger spricht davon. Gehres p. 51. — Pflüger, Die
Geschichte der Stadt Pforzheim p. 269.

3) Von ihm und Guckeisen erschien 1596 in 23 Tafeln: »Etliche architectischer Portalen, Epitaphien, Caminen
und Schweiften«; 1599 ein »Schweyf Buch« für Schreiner, beide bei Joh. Bussemacher zu Köln verlegt, letzteres
dem Baumeister Schoch gewidmet. — Eck ist schon 1585 zu Straßburg nachweisbar, wo er Vertäfelungen im
»Neuen Bau« ausführte. Uber ihn Thieme-Becker, Künstler-Lex. X, 318; Andr. Andresen, Der deutsche Peintre-
Graveur III (1866) p. 292 ff.; Repert. f. Kunstwissensch. XII, 364; Nagler, Monogrammisten II, 3101; III, 2390;
V, 1124 u. Z.G.O.- VIII p 586 Anm. 3.

4) Georg Eremita war 1577 Diakon in Eberbach. W.F Stocker, Schematismus d. prot. Geistlichkeit p. 194.—
Ein Magister Georg Hehl aus Ulm wurde 1626 Professor der Metaphysik zu Durlach. Albr. Weyermann, Neue
hist.-biogr.-artist. Nachrichten von Gelehrten und Künstlern Ulms, 1829, p. 166.

5) Ulm. Stadtarchiv, Bürgerbuch fol. 231 zum 22. April 1584; fol. 234; »Andreas Jägern schreinern ward
uff den 30 januarii ao 1590 fünf jar die nechsten erlaupt.«

6) Ib. fol. 241, 248 undRatsprot. 1599 fol. 541 zum 14. Nov.: »Daß schreiner Andreas Jäger angezeigt, daß
ihme bei marggraf Ernst Friderich von Baden zu Durlach eine fürträglich gelegene arbeit zugestanden sei.«

') Ib. in den Aufzeichnungen des ehem. Archivars Neubronner zum 24. April 1618. Sein Bruder Martin,
der Stadtschreiner, gest. 1634. Die sämtlichen archiv. Notizen verdanke ich der Freundlichkeit des Archiv-
vorstandes zu Ulm, Prof. Joh. Greiner.
 
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