2 GESCHICHTE DES TEMPELS
Rede wert gewesen sein; wissen wir doch, wie glimpflich die Christen mit den Parthenon-
skulpturen umgegangen sind. Erhebliche Aenderungen musste sich nur der Bau selbst
gefallen lassen. Die westliche Vorhalle ward zum Narthex, in ihre Wand brach man eine
Thür, die nunmehr den einzigen Zugang der Kirche bilden sollte; dagegen verschwand mit
der Cellaostwand und den Säulen_ des Pronaos die bisherige Hauptthür, und von Ante zu
Ante zog sich nun die fünfseitige Apsis, die den Aussensäulen auf i m nahe rückte. Das
. Satteldach durch ein nur die Cella überspannendes Tonnengewölbe zu ersetzen entschloss
man sich wohl erst, als jenes baufällig geworden war; denn dieses Gewölbe hat bis zum
Jahre 1835 gehalten und hält, seit der damaligen gründlichen Ausbesserung, noch heute.
Nur durch die 2 m weite Thür und hier und da das Gewölbe durchbrechende Löcher1 fiel
Licht in das Innere, von dessen Ausstattung nicht mehr bekannt ist, als dass die Wand
mit derbem Stuck überzogen war2, der Gemälde trug3; vielleicht war auch schon frühzeitig
der mit Prytaneninschriften bedeckte Säulenschaft in die Kirche gewandert, den Ciriaco 1436
da als Taufstein oder als Träger des Trapezon sah4. Draussen aber im Säulengang, der auch
nach Abtragung des Daches durch seine Steindecke leidlich geschützt blieb, sogar ebenfalls
mit Heiligenbildern verziert wurde6, bildete sich allmählich ein Friedhof, als dessen Grabsteine
Wände und Säulen selbst, besonders die westlichen und die nächst benachbarten, dienen
mussten0. Mit der Zeit scheint mehr diese Begräbnisstätte als der Kult des Heiligen der Kirche
Bedeutung gegeben zu haben; denn wenn am Ausgang des 15. Jahrhunderts der Unbekannte,
dessen Traktat über die Theater und Schulen von Athen die Wiener Hofbibliothek bewahrt,
erzählt, dass in diesem Tempel „die Pankratiasten und Olympier, d. h. Olympioniken bestattet
worden seien, und dass die Redner dort ihre Leichenreden verlesen hätten"7, so überträgt er
nicht nur ein unklares Wissen von dem grossen Friedhof des äusseren Kerameikos auf den
Tempel, der sich über den inneren erhob8, sondern er projiziert einen mittelalterlichen Brauch
in das antike Athen zurück. Aber selbst dieser Brauch wird den Verfall der Kirche nicht
aufgehalten haben. Man bedenke, dass seit der fränkischen Zeit das Gebäude ausserhalb
der Stadtmauer lag9, dass die zusammengeschrumpfte Stadt Ueberfluss an Kirchen und
1 Spon, Voyage S. I53f. Williams, Travels II S. 312. Prestat bei Gailhabaud-Lohde, Denkmäler der Baukunst I unter
„Tempel des Theseus" (kurz vor 1835).
2 Dodwell, Class. and topogr. tour S. 366. Semper, Stil II2 S. 426. KI. Schriften S. 257. Adler bei P. Graef, Theseion
in Baumeister's Denkmälern S. 1776, der unter dem mittelalterlichen Stuck antiken erkennen wollte, während Dörpfeld (bei Robert,
Marathonschlacht S. 88) einen solchen Unterschied nicht macht und den von ihm gesehenen Stuck ebensowenig für alt hält wie Hans
Schrader, dem ich genaue Angaben über den Zustand des Inneren verdanke.
3 Auch in dem Zustande trauriger Verwahrlosung, den die Berichte aus dem Anfang unseres Jahrhunderts erkennen lassen,
schmückten Heiligenbilder, wenn auch wahrscheinlich nicht mehr die ursprünglichen, die Kirche, speziell die Apsis: Hobhouse,
Journey S. 311, Williams (1817 in Athen), Travels II S. 312 t.
4 Ad marmoream aedem Martis ornatissimam in agro Athenarum, adhuc integram stantem XXX n. columnis sieht ihn Ciriaco
(Wachsmuth, Stadt Athen I S. 727); das heisst (vgl. Ross, Theseion S. 2) nach dem Sprachgebrauch des Mannes wahrscheinlich: in
dem Tempel, und man wird kaum annehmen dürfen, dass der Stein erst zwischen 1436 und dem Besuche Spon's, der ihn 1676
im Innern sah, hineingeschafft worden sei.
5 Chandler, Reisen S. 102 d. deutschen Ausg. Hobhouse, Journey S. 311.
6 Mittelalterliche Inschriften vom „Theseion", fast durchweg sepulkral, 'EtpTju.. äpx. n. 1599t. 2449—54. 3468—78. Als
besonders inschriftenreich vermerkt Pittakis zu S. 1810 die vierte und sechste Säule der Westfront und die drei nächstfolgenden der
südlichen Langseite. Vgl. Aug. Mommsen, Athenae Christianae No. 116. Grabschrift eines Genuesers von 1453 bei Gregorovius,
Gesch. d. Stadt Athen I S. 383, Anm. 3 nach dem (mir nicht zugänglichen) AsXx. t. taxop. v.a.1 SttvoXoy. £xcap. 1885, S. 23. Im
Tempel, wie Gregorovius I S. 63 sagt, sind meines Wissens keine solche Inschriften entdeckt werden.
7 Laborde, Athenes aux XV., XVI. et XVII. siecles II S. 18. Wachsmuth, Stadt Athen I S. 61 Kampuroglos, Mv7][ieta I S. 92.
■ . , 8_ Wachsmuth, Stadt Athen I S. 732, Anm. 4.
9 Vgl. über die fränkische Mauer Wachsmuth, Stadt Athen I S. 723, 3.
Rede wert gewesen sein; wissen wir doch, wie glimpflich die Christen mit den Parthenon-
skulpturen umgegangen sind. Erhebliche Aenderungen musste sich nur der Bau selbst
gefallen lassen. Die westliche Vorhalle ward zum Narthex, in ihre Wand brach man eine
Thür, die nunmehr den einzigen Zugang der Kirche bilden sollte; dagegen verschwand mit
der Cellaostwand und den Säulen_ des Pronaos die bisherige Hauptthür, und von Ante zu
Ante zog sich nun die fünfseitige Apsis, die den Aussensäulen auf i m nahe rückte. Das
. Satteldach durch ein nur die Cella überspannendes Tonnengewölbe zu ersetzen entschloss
man sich wohl erst, als jenes baufällig geworden war; denn dieses Gewölbe hat bis zum
Jahre 1835 gehalten und hält, seit der damaligen gründlichen Ausbesserung, noch heute.
Nur durch die 2 m weite Thür und hier und da das Gewölbe durchbrechende Löcher1 fiel
Licht in das Innere, von dessen Ausstattung nicht mehr bekannt ist, als dass die Wand
mit derbem Stuck überzogen war2, der Gemälde trug3; vielleicht war auch schon frühzeitig
der mit Prytaneninschriften bedeckte Säulenschaft in die Kirche gewandert, den Ciriaco 1436
da als Taufstein oder als Träger des Trapezon sah4. Draussen aber im Säulengang, der auch
nach Abtragung des Daches durch seine Steindecke leidlich geschützt blieb, sogar ebenfalls
mit Heiligenbildern verziert wurde6, bildete sich allmählich ein Friedhof, als dessen Grabsteine
Wände und Säulen selbst, besonders die westlichen und die nächst benachbarten, dienen
mussten0. Mit der Zeit scheint mehr diese Begräbnisstätte als der Kult des Heiligen der Kirche
Bedeutung gegeben zu haben; denn wenn am Ausgang des 15. Jahrhunderts der Unbekannte,
dessen Traktat über die Theater und Schulen von Athen die Wiener Hofbibliothek bewahrt,
erzählt, dass in diesem Tempel „die Pankratiasten und Olympier, d. h. Olympioniken bestattet
worden seien, und dass die Redner dort ihre Leichenreden verlesen hätten"7, so überträgt er
nicht nur ein unklares Wissen von dem grossen Friedhof des äusseren Kerameikos auf den
Tempel, der sich über den inneren erhob8, sondern er projiziert einen mittelalterlichen Brauch
in das antike Athen zurück. Aber selbst dieser Brauch wird den Verfall der Kirche nicht
aufgehalten haben. Man bedenke, dass seit der fränkischen Zeit das Gebäude ausserhalb
der Stadtmauer lag9, dass die zusammengeschrumpfte Stadt Ueberfluss an Kirchen und
1 Spon, Voyage S. I53f. Williams, Travels II S. 312. Prestat bei Gailhabaud-Lohde, Denkmäler der Baukunst I unter
„Tempel des Theseus" (kurz vor 1835).
2 Dodwell, Class. and topogr. tour S. 366. Semper, Stil II2 S. 426. KI. Schriften S. 257. Adler bei P. Graef, Theseion
in Baumeister's Denkmälern S. 1776, der unter dem mittelalterlichen Stuck antiken erkennen wollte, während Dörpfeld (bei Robert,
Marathonschlacht S. 88) einen solchen Unterschied nicht macht und den von ihm gesehenen Stuck ebensowenig für alt hält wie Hans
Schrader, dem ich genaue Angaben über den Zustand des Inneren verdanke.
3 Auch in dem Zustande trauriger Verwahrlosung, den die Berichte aus dem Anfang unseres Jahrhunderts erkennen lassen,
schmückten Heiligenbilder, wenn auch wahrscheinlich nicht mehr die ursprünglichen, die Kirche, speziell die Apsis: Hobhouse,
Journey S. 311, Williams (1817 in Athen), Travels II S. 312 t.
4 Ad marmoream aedem Martis ornatissimam in agro Athenarum, adhuc integram stantem XXX n. columnis sieht ihn Ciriaco
(Wachsmuth, Stadt Athen I S. 727); das heisst (vgl. Ross, Theseion S. 2) nach dem Sprachgebrauch des Mannes wahrscheinlich: in
dem Tempel, und man wird kaum annehmen dürfen, dass der Stein erst zwischen 1436 und dem Besuche Spon's, der ihn 1676
im Innern sah, hineingeschafft worden sei.
5 Chandler, Reisen S. 102 d. deutschen Ausg. Hobhouse, Journey S. 311.
6 Mittelalterliche Inschriften vom „Theseion", fast durchweg sepulkral, 'EtpTju.. äpx. n. 1599t. 2449—54. 3468—78. Als
besonders inschriftenreich vermerkt Pittakis zu S. 1810 die vierte und sechste Säule der Westfront und die drei nächstfolgenden der
südlichen Langseite. Vgl. Aug. Mommsen, Athenae Christianae No. 116. Grabschrift eines Genuesers von 1453 bei Gregorovius,
Gesch. d. Stadt Athen I S. 383, Anm. 3 nach dem (mir nicht zugänglichen) AsXx. t. taxop. v.a.1 SttvoXoy. £xcap. 1885, S. 23. Im
Tempel, wie Gregorovius I S. 63 sagt, sind meines Wissens keine solche Inschriften entdeckt werden.
7 Laborde, Athenes aux XV., XVI. et XVII. siecles II S. 18. Wachsmuth, Stadt Athen I S. 61 Kampuroglos, Mv7][ieta I S. 92.
■ . , 8_ Wachsmuth, Stadt Athen I S. 732, Anm. 4.
9 Vgl. über die fränkische Mauer Wachsmuth, Stadt Athen I S. 723, 3.