i3
Forschungslage und Literaturüberblick1
Auf seiner Reise durch einige deutsche Provinzen
kam der hochfürstlich osnabrückische Land-Con-
ducteur G. H. Hollenberg auch nach der Residenz
Wolfenbüttel. Im 37. Brief seiner 1782 gedruckten
Reisebeschreibung berichtet er von seinem dorti-
gen Aufenthalt2 und dem kurzen Empfang, den
der berühmte Direktor der herzoglichen Biblio-
thek, Gotthold Ephraim Lessing, dem Gelegen-
heitsliteraten gewährte3:
Diese Büchersammlung, welche zur Zeit eine der
bekanntesten und wichtigsten in Europa ist, ent-
hält an die noooo Bände, und hat eine ausseror-
dentliche Menge von Handschriften
Sonst machte mich Herr Lessing noch auf einen
hier befindlichen, sehr großen Holzschnit auf-
merksam, welcher an 12 Fuß hoch und 8 Fuß breit
ist, und der nicht nur wegen seiner Grösse, sondern
auch in Ansehung der Feinheit merkwürdig ist. Er
stellet eine Ehrenpforte des Kaysers Maximilians
vor.
Das Exemplar der Ehrenpforte, das Hollenberg
von Lessing während seines kurzen Besuches ge-
zeigt wurde4, ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit
jenem kolorierten identisch, das sich heute im
Kupferstichkabinett des Herzog Anton-Ulrich-
Museums in Braunschweig befindet5. Es war ur-
sprünglich montiert, und Verschmutzung, Vergil-
bung und Beschädigung bestätigen, daß das Werk
lange Zeit gehangen haben muß6.
Dürers Name fällt in diesem Zusammenhang
nicht, und so ist auch nicht mehr zu erfahren, ob
Lessing selbst um die Beteiligung des Nürnber-
gers an dem Werk wußte. Denn keiner der 36 Bö-
gen, aus dem der Riesenholzschnitt zusammenge-
setzt ist, trägt das berühmte Monogramm Dürers;
vielmehr ist es das kleinste der drei Wappen [D’j,
das in Gestalt einer geöffneten Türe redend den
Namen seines Trägers mehr verbirgt als offenbart.
Nachdem aber Hollenberg Hofbeamter des
Bischofs von Osnabrück war, dessen Empfeh-
lungsschreiben im protestantischen Wolfenbüttel
vermutlich kein übermäßiges Entgegenkommen
hervorgerufen haben dürfte, hat es ohnedies den
Anschein, als sei hier einem eher lästigen und min-
der anspruchsvollen Besucher statt bibliophiler
Kostbarkeiten und einer angeregten literarischen
Unterhaltung ein Blick auf den Riesenholzschnitt
1 Der folgende Überblick ist im wesentlichen chronologisch
angelegt, doch kann dies nicht streng beibehalten werden,
wenn es um zeitübergreifende Zusammenhänge zwischen
einzelnen Beurteilungs- und Argumentationstendenzen
geht.
Die große Menge der Literatur, die die Ehrenpforte eher
beiläufig würdigt, steht dabei meist in Abhängigkeit von
bedeutenderen Publikationen und muß daher nicht in
voller Breite behandelt werden.
2 Hollenberg, G. H., Bemerkungen über verschiedene Ge-
genstände auf einer Reise durch einige deutsche Provinzen,
in Briefen, Stendal 1782, S. 252.
3 Die Visite muß etwa 1780 - noch vor dem Tod des regieren-
den Herzogs Karl I. - stattgefunden haben, vgl. Heine-
mann, Otto von, Die herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüt-
tel, Wolfenbüttel 1894, S. 344 f.
4 Lessing selbst gedenkt dieses Besuches nirgends in seinen
Schriften; auch einen Hinweis auf Albrecht Dürer im Zu-
sammenhang mit der Ehrenpforte sucht man vergebens.
5 Erst seit jener Erwähnung bei Hollenberg in Wolfenbüttel
nachweisbar; 1928 nach Braunschweig ins Herzog-Anton-
Ulrich-Museum überführt. Die Bestimmung als Erstaus-
gabe bei: Hausmann, Bernhard, Notizen, Albrecht Dürer
betreffend, in: Naumanns Archiv für die zeichnenden Kün-
ste 2/1856, S. 91 f. Vgl. ferner Burgkmair und die graphische
Kunst der deutschen Renaissance, Kat.Ausst. Braun-
schweig 1973, Nr. 45.
6 Bei der Restaurierung in den 1890er Jahren wurde das Werk
von der hinterfangenden Leinwand gelöst und auf Karton
übertragen, vgl. Heinemann 1894, S. 252!.
Forschungslage und Literaturüberblick1
Auf seiner Reise durch einige deutsche Provinzen
kam der hochfürstlich osnabrückische Land-Con-
ducteur G. H. Hollenberg auch nach der Residenz
Wolfenbüttel. Im 37. Brief seiner 1782 gedruckten
Reisebeschreibung berichtet er von seinem dorti-
gen Aufenthalt2 und dem kurzen Empfang, den
der berühmte Direktor der herzoglichen Biblio-
thek, Gotthold Ephraim Lessing, dem Gelegen-
heitsliteraten gewährte3:
Diese Büchersammlung, welche zur Zeit eine der
bekanntesten und wichtigsten in Europa ist, ent-
hält an die noooo Bände, und hat eine ausseror-
dentliche Menge von Handschriften
Sonst machte mich Herr Lessing noch auf einen
hier befindlichen, sehr großen Holzschnit auf-
merksam, welcher an 12 Fuß hoch und 8 Fuß breit
ist, und der nicht nur wegen seiner Grösse, sondern
auch in Ansehung der Feinheit merkwürdig ist. Er
stellet eine Ehrenpforte des Kaysers Maximilians
vor.
Das Exemplar der Ehrenpforte, das Hollenberg
von Lessing während seines kurzen Besuches ge-
zeigt wurde4, ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit
jenem kolorierten identisch, das sich heute im
Kupferstichkabinett des Herzog Anton-Ulrich-
Museums in Braunschweig befindet5. Es war ur-
sprünglich montiert, und Verschmutzung, Vergil-
bung und Beschädigung bestätigen, daß das Werk
lange Zeit gehangen haben muß6.
Dürers Name fällt in diesem Zusammenhang
nicht, und so ist auch nicht mehr zu erfahren, ob
Lessing selbst um die Beteiligung des Nürnber-
gers an dem Werk wußte. Denn keiner der 36 Bö-
gen, aus dem der Riesenholzschnitt zusammenge-
setzt ist, trägt das berühmte Monogramm Dürers;
vielmehr ist es das kleinste der drei Wappen [D’j,
das in Gestalt einer geöffneten Türe redend den
Namen seines Trägers mehr verbirgt als offenbart.
Nachdem aber Hollenberg Hofbeamter des
Bischofs von Osnabrück war, dessen Empfeh-
lungsschreiben im protestantischen Wolfenbüttel
vermutlich kein übermäßiges Entgegenkommen
hervorgerufen haben dürfte, hat es ohnedies den
Anschein, als sei hier einem eher lästigen und min-
der anspruchsvollen Besucher statt bibliophiler
Kostbarkeiten und einer angeregten literarischen
Unterhaltung ein Blick auf den Riesenholzschnitt
1 Der folgende Überblick ist im wesentlichen chronologisch
angelegt, doch kann dies nicht streng beibehalten werden,
wenn es um zeitübergreifende Zusammenhänge zwischen
einzelnen Beurteilungs- und Argumentationstendenzen
geht.
Die große Menge der Literatur, die die Ehrenpforte eher
beiläufig würdigt, steht dabei meist in Abhängigkeit von
bedeutenderen Publikationen und muß daher nicht in
voller Breite behandelt werden.
2 Hollenberg, G. H., Bemerkungen über verschiedene Ge-
genstände auf einer Reise durch einige deutsche Provinzen,
in Briefen, Stendal 1782, S. 252.
3 Die Visite muß etwa 1780 - noch vor dem Tod des regieren-
den Herzogs Karl I. - stattgefunden haben, vgl. Heine-
mann, Otto von, Die herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüt-
tel, Wolfenbüttel 1894, S. 344 f.
4 Lessing selbst gedenkt dieses Besuches nirgends in seinen
Schriften; auch einen Hinweis auf Albrecht Dürer im Zu-
sammenhang mit der Ehrenpforte sucht man vergebens.
5 Erst seit jener Erwähnung bei Hollenberg in Wolfenbüttel
nachweisbar; 1928 nach Braunschweig ins Herzog-Anton-
Ulrich-Museum überführt. Die Bestimmung als Erstaus-
gabe bei: Hausmann, Bernhard, Notizen, Albrecht Dürer
betreffend, in: Naumanns Archiv für die zeichnenden Kün-
ste 2/1856, S. 91 f. Vgl. ferner Burgkmair und die graphische
Kunst der deutschen Renaissance, Kat.Ausst. Braun-
schweig 1973, Nr. 45.
6 Bei der Restaurierung in den 1890er Jahren wurde das Werk
von der hinterfangenden Leinwand gelöst und auf Karton
übertragen, vgl. Heinemann 1894, S. 252!.