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Scheffer-Boichorst, Paul [Editor]
Annales Patherbrunnenses: eine verlorene Quellenschrift des zwölften Jahrhunderts ; aus Bruchstücken wiederhergestellt — Innsbruck, 1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.22433#0078
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zur Herrschaft; — man war wieder in der Lage, Zeitgeschichte zu
schreiben.

Den günstigen Augenblick zu ergreifen, die gestellte Aufgabe zu er-
füllen, schien man vorzüglich in Einer Stadt berufen. Blicken wir auf
Paderborn!

Als Kaiser Heinrich dem Meinwerk das Bisthum anbot, hatte der
reiche Immedinger fast mitleidig gelächelt. Ein solches Bisthum, meinte
er, Hesse sich wohl auf seinem eigenen Grande errichten.1 Dennoch wies
er den Krummstab nicht zurück: er höhnte mit dem Mundo und war in
seinem Herzen befriedigt. Denn er hatte gefunden, wessen er bedurfte.
Nach den Kegeln der Alltäglichkeit ein grosses und reiches Bisthum in
guter Ordnung zu erhalten, wäre nicht nach seinem Geschmack gewesen.
Seine kräftige Natur verlangte weitere Aufgaben. Das urbare Land jahraus
jahrein zu bestellen, mochte er Anderen überlassen; er musste fruchtbare
Felder aus Wildnissen schaffen. Das hatte der kluge Heinrich vorausge-
sehen ; er hatte wohl gemeint, dass sein Meinwerk für Paderborn so ziem-
lich werden sollte, was er selbst für Bamberg war. Kur hatte er sich ver-
rechnet, wenn er durch die blosse Ernennung seine Absicht schon orreicht
zu haben glaubte. Meinwerk fand vielmehr, dass der Kaiser auch das Sei-
nige thun könne, dem Bisthum eine reiche materielle Grundlage zu verleihen.
Und ob willig oder widerwillig, der Kaiser musste geben;2 denn Meinwerk
war nicht gewohnt, sich abweisen zu lassen. So hat er durch eigene und
kaiserliche Mittel, ohne Kuho und Bast arbeitend, schaffend, gründend, sein
Bisthum aus dem Nichts zur höchsten Blüthe erhoben.

Wie sich bei einem solchen Manne von selbst verstand: Meinwerk
Hess die Wissenschaft nicht ausserhalb seiner Berechnung. Selbst am Aller-
wenigsten ein Gelehrtor, kannte er doch die Bedeutung der Wissenschaft.
Der auf der hildesheimer Domschule wohl nicht gerade der Stolz des alten
Thangmar gowesen, der noch als Bischof eino Seelenmesse pro mulis et
mulabus3 las, der wusste doch, dass die Kraft und das Ansehen der Geist-
lichen nicht bloss in ihrem Stande beruhte, sondern in der überlegenen
Bildung, die sie weit über das Volk erhob. Nicht wegen ihrer selbst, als
Mittel zum Zweck, wird Meinwerk die Wissenschaft gefördert haben. Dabei
lag für den Zögling Thangmars, den Mitschüler Bernwards, den Freund
Godehards wohl Nichts näher, als an die hildesheimer Schule anzuknüpfen,
sie zum Vorbilde zu nehmen, von dorther seine Lehrer zu berufen. Man
wird nicht irren, wenn man die paderborner Schule als eine Tochter der
hildesheimer bezeiclmet, wenn man auch in dem aufblühenden wissen-
schaftlichen Leben Paderborns den Geist des gelehrten Godehard zu ver-
spüren glaubt.

Schon unter Meinwerk trieb die Schule ihre Blüthen:4 sie erzog den

1) Vita Meinworci c. 11.

2) Opportune, importune, sagt sein Biograph c. 216, coepit roquirere.
S) Statt pro famulis et faniulabus.

4) Studiorum multiplioia :: sub eo floruerunt eiercitia :; et bouao indolis iu-

venes et pueri strennue instituobantur norma rogulari etc.
 
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