— 37 —
Diese letzte Entschuldigung wird mir, wie gesagt, durch
das angeführte Sonett erklärlich. Zwar wird darin nicht das
aussergewöhnliche ingegnio des uomo divino, sondern dessen
unvergleichliche beltate »übermässig bewundert«. Die Sache
kommt jedoch in dem gegebenen Falle auf dasselbe heraus.
Es ist nur der Unterschied zwischen der offeneren Poesie
und der discreteren Prosa. In dieser, in dem Briefe musste
Michelangelo seine Ausdrücke vorsichtiger wählen. Er ging
in seiner Ueberschwänglichkeit auch so nocli weit. Er fühlte
es und beschloss, in einem neuen Schreiben die Huldigung
auf ein bescheideneres Mass einzuschränken.
Das neue Briefconcept ist also sachlicher, knapper. Der
Empfindungsausdruck, wo er durchbricht, jedoch noch leiden-
schaftlicherer Natur:
Zuerst wieder die Versicherung, dass er nicht gewusst, was
er mit Anknüpfung dieser Correspondenz zu kühn begann:
»Um so mehr sah ich nachher mein Versehen ein, als ich Ihren Brief las
und durchschmeckte! Nein, weit entfernt (in neuer Bekanntschaft), wie
Ihr mir schreibt, mir erst geboren zu scheinen, seid Ihr mir , vielmehr schon
tausendmal in der Welt nahe gewesen: ich dagegen würde mir nicht ge-
boren, todtgeboren oder von Himmel und Erde verlassen vorkommen, wenn
ich aus Eurem Schreiben nicht ersehen und den Glauben gewonnen hätte,
dass Eure Herrlichkeit einige meiner Arbeiten gerne annehmen1).«
con 1' avenire, ehe sara poco, perch^ son troppo vecchio. Non o altro ehe
dirmi. Leggiete il cuore, e non la lettera, perch^ »la penna al buon voler
non puo gir presso«.
0 da scusarmi ehe nella prima mia mostrai maravigliosamente stupir
del vostro peregrino ingegnio, e cosi mi scuso, perch^ o conosciuto poi in
quanto errore i' fui; ferche quanto e da maravigliarsi ehe Dio facci mira-
coli, tant' e ehe Roma produca uomini divini. E di questo 1' universo ne
puo far fede.« cf. Milanesi, le lettere di Michelangelo B., No. CDXI,
p. 462.x
T) »e tanto piu 6 dipoi conosciuto 1' error mio, quanto 0 letta e gustata,
vostra merce, la vostra; e non che appena mi parete nato, come in essa
di voi mi scrivete, ma stato mille altre volte al mondo: e io non nato, 0
Diese letzte Entschuldigung wird mir, wie gesagt, durch
das angeführte Sonett erklärlich. Zwar wird darin nicht das
aussergewöhnliche ingegnio des uomo divino, sondern dessen
unvergleichliche beltate »übermässig bewundert«. Die Sache
kommt jedoch in dem gegebenen Falle auf dasselbe heraus.
Es ist nur der Unterschied zwischen der offeneren Poesie
und der discreteren Prosa. In dieser, in dem Briefe musste
Michelangelo seine Ausdrücke vorsichtiger wählen. Er ging
in seiner Ueberschwänglichkeit auch so nocli weit. Er fühlte
es und beschloss, in einem neuen Schreiben die Huldigung
auf ein bescheideneres Mass einzuschränken.
Das neue Briefconcept ist also sachlicher, knapper. Der
Empfindungsausdruck, wo er durchbricht, jedoch noch leiden-
schaftlicherer Natur:
Zuerst wieder die Versicherung, dass er nicht gewusst, was
er mit Anknüpfung dieser Correspondenz zu kühn begann:
»Um so mehr sah ich nachher mein Versehen ein, als ich Ihren Brief las
und durchschmeckte! Nein, weit entfernt (in neuer Bekanntschaft), wie
Ihr mir schreibt, mir erst geboren zu scheinen, seid Ihr mir , vielmehr schon
tausendmal in der Welt nahe gewesen: ich dagegen würde mir nicht ge-
boren, todtgeboren oder von Himmel und Erde verlassen vorkommen, wenn
ich aus Eurem Schreiben nicht ersehen und den Glauben gewonnen hätte,
dass Eure Herrlichkeit einige meiner Arbeiten gerne annehmen1).«
con 1' avenire, ehe sara poco, perch^ son troppo vecchio. Non o altro ehe
dirmi. Leggiete il cuore, e non la lettera, perch^ »la penna al buon voler
non puo gir presso«.
0 da scusarmi ehe nella prima mia mostrai maravigliosamente stupir
del vostro peregrino ingegnio, e cosi mi scuso, perch^ o conosciuto poi in
quanto errore i' fui; ferche quanto e da maravigliarsi ehe Dio facci mira-
coli, tant' e ehe Roma produca uomini divini. E di questo 1' universo ne
puo far fede.« cf. Milanesi, le lettere di Michelangelo B., No. CDXI,
p. 462.x
T) »e tanto piu 6 dipoi conosciuto 1' error mio, quanto 0 letta e gustata,
vostra merce, la vostra; e non che appena mi parete nato, come in essa
di voi mi scrivete, ma stato mille altre volte al mondo: e io non nato, 0