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Scheftelowitz, Isidor
Das Schlingen- und Netzmotiv im Glauben und Brauch der Völker — Gießen, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.13441#0015
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Das Schlingen- und Netzmotiv im Glanben und Brauch der Völker 5

die Götter angefleht, sie mögen die Fesseln der Krankheits-
dämonen, lösen: „Ergreife seine Hand, löse seine Schuld, laß
weichen Fieber und Drangsal von ihm. In der Öffnung des
Morastes liegt dein Knecht; laß ihn aufstehen aus deinem
Zorn, reiß ihn aus dem Sumpf! Öffne seine Banden, löse seine
Fessel". „Schamasch, den Toten lebendig zu machen, den
Gebundenen zu lösen, steht in deiner Hand" \ „Jenes Menschen
Kopf, Hände und Füße band er; Marduk, der herrliche Sohn
von Eridu zerriß sie mit seinen heiligen Händen" 2. Nach
arabischer Anschauung zieht der Tod den Menschen am
Seile fort3.

Die indischen Götter und Dänionen sind gleichfalls mit
Schlingen und Netzen bewaffnet. „Fern mögen die Schlingen,
fern die Sünden sein, o Götter, nicht fanget mich ein wie
einen Vogel bei der Brut"4, fleht der fromme Inder. Varuna,
der über das Recht wacht, fängt die Schuldigen in seiner
Schlinge 5. Ebenso wie das Netz der sumerischen Gottheiten
den Wortbrüchigen niederschlägt, so wird in Indien der Lügner
von den Schlingen des Varuna gefesselt: „Alle deine glänzenden
sieben mal sieben Schlingen, o Varuna, welche dreifach ge-
lockert bereit stehen, mögen denjenigen, der die Unwahrheit
spricht, fesseln; denjenigen aber, der die Wahrheit spricht,
mögen sie freilassen. Mit hundert Schlingen umschließe ihn,
o Menschenwächter, nicht möge von dir der Lügner freigelassen
werden"6. Durch die Schlinge dieses Gottes ist man der
Quere und der Länge nach gefesselt7. Daher fleht der in
Schuld geratene Mensch um Befreiung von Varunas Fessel8:
„Mögest du den Gebundenen befreien von seinen Banden"9.
Die Ädityäs stellen dem Frevler Schlingen: „0 ihr verehrungs-
würdigen Adityas, die Schlingen, die ihr dem Frevler gestellt
habt, diese möge ich passieren wie ein Rosselenker mit seinem

1 H. Zimmern, Babylonische Hymnen, Leipzig 1905, 14, 27.

" H. Zimmern, Beitr. zur Kenntnis der babylon. Religion 1900, 33.

3 Wellhausen, Skizzen und Vorarbeiten III 164. In einem abessinischen
Zaubertest ist ein Dämon mit dem bösen Netz erwähnt (Ztschr. f. Assyr.
.24, 66). 4 Rgveda II 29, 5.

0 RV I 24, 15 (= Atharvaveda VII 83, 3); VI 74, 4; VII 65, 3;
X 85, 24. 6 Atharvaveda IV 16, 6—7. 7 AV XVIII 4, 70.

8 AV VI 121, 1. 9 AV VI 121, 4: bandhän muncäsi baddhakam.
 
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