Vorwort
Dieses Buch behandelt die künstliche Felderbewässerung im Alten Ägypten, ihre Voraus-
setzungen und ihre Auswirkungen. Die schlagwortartige Zuspitzung des Themas auf eine
„Bewässerungsrevolution“ hin ist als Frage zu verstehen. Ob die Einschätzung als „Revolution“
zu Recht besteht, kann nur aus der genauen Kenntnis der Sachlage entschieden werden. Eine
Antwort kann deshalb allenfalls am Ende des Untersuchungsgangs formuliert werden.
Zwei Fragen sind von grundlegender Bedeutung: die Frage, welche technologischen
Neuerungen die Bewässerungsrevolution bewirkt haben, und, was weitgehend damit gekoppelt
ist, die Frage nach dem Zeitpunkt ihrer Einführung.
Die Frage nach dem Zeipunkt der Bewässerungsrevolution führt auf ein Thema, das, im
Titel des Buches nicht ausdrücklich genannt, gleichwohl durch die Diskussion der Bewässe-
rungsfrage in den letzten Jahrzehnten mitgesetzt ist: die „hydraulische Hypothese“ der Ent-
stehung der Hochkulturen.
Die Notwendigkeit einer Erläuterung der hydraulischen Hypothese gibt mir Gelegenheit,
einen methodischen Aspekt dieses Buches anzusprechen, von dessen Beurteilung nicht zuletzt
der Wert der hier bezogenen Positionen für die weitere Diskussion der behandelten Probleme
abhängt. Ich gehe davon aus, daß die durch die Wissenschaftstheorie begründeten Schritte
wissenschaftlicher Untersuchungen, die Aufstellung von Gesetzeshypothesen und ihre Über-
prüfung auf Tragfähigkeit hin1, auch in den historischen Wissenschaften notwendig sind2.
Diese Arbeitsweise läßt sich am Beispiel der hydraulischen Hypothese, die eine derartige Ge-
setzeshypothese ist, exemplifizieren.
Man könnte die hydraulische Hypothese so formulieren: In ariden oder semi-ariden Ge-
bieten entsteht immer dann, wenn die künstliche Bewässerung in größerem Ausmaß eingeführt
wird, eine bürokratische Zentralgewalt. Oder: Eine bürokratische Zentralgewalt entsteht nur
dann, wenn in ariden oder semi-ariden Gebieten die künstliche Bewässerung in größerem Aus-
maß eingeführt wird. Die Überprüfung einer solchen Hypothese kann anhand der für die alt-
ägyptische Hochkultur verfügbaren Daten erfolgen. Findet man, daß die bürokratische Zentral-
gewalt des Alten Ägypten ohne Koppelung mit großräumiger künstlicher Bewässerung ent-
standen ist, so ist die Hypothese falsifiziert. Läßt sich dieser Nachweis nicht führen, so gilt die
Hypothese als vorläufig, bis zum Auffinden neuer Überprüfungsverfahren, bewährt. (NB: Ob
man die hydraulische Hypothese so formuliert, wie hier angegeben, oder ob man nicht besser
eine differenziertere bzw. weniger weit reichende Aussage wählt, ist eine Frage, deren Beant-
wortung an dieser Stelle offen bleiben muß.)
Entsprechend der hier grundsätzlich bezogenen Position zur Wissenschaftstheorie werden
auch beim Aufbau einer Position gegen die hydraulische Hypothese Gesetzeshypothesen an-
genommen. Freilich kann dies nur ansatzweise geschehen. Die Datenbasis ist derzeit noch zu
unsicher, um Gesetzeshypothesen mit der Gewißheit ihrer Bewährung in künftigen Über-
1) Siehe Popper, Logik der Forschung. 2) Vgl. Kraft, Geschichtsforschung.
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Dieses Buch behandelt die künstliche Felderbewässerung im Alten Ägypten, ihre Voraus-
setzungen und ihre Auswirkungen. Die schlagwortartige Zuspitzung des Themas auf eine
„Bewässerungsrevolution“ hin ist als Frage zu verstehen. Ob die Einschätzung als „Revolution“
zu Recht besteht, kann nur aus der genauen Kenntnis der Sachlage entschieden werden. Eine
Antwort kann deshalb allenfalls am Ende des Untersuchungsgangs formuliert werden.
Zwei Fragen sind von grundlegender Bedeutung: die Frage, welche technologischen
Neuerungen die Bewässerungsrevolution bewirkt haben, und, was weitgehend damit gekoppelt
ist, die Frage nach dem Zeitpunkt ihrer Einführung.
Die Frage nach dem Zeipunkt der Bewässerungsrevolution führt auf ein Thema, das, im
Titel des Buches nicht ausdrücklich genannt, gleichwohl durch die Diskussion der Bewässe-
rungsfrage in den letzten Jahrzehnten mitgesetzt ist: die „hydraulische Hypothese“ der Ent-
stehung der Hochkulturen.
Die Notwendigkeit einer Erläuterung der hydraulischen Hypothese gibt mir Gelegenheit,
einen methodischen Aspekt dieses Buches anzusprechen, von dessen Beurteilung nicht zuletzt
der Wert der hier bezogenen Positionen für die weitere Diskussion der behandelten Probleme
abhängt. Ich gehe davon aus, daß die durch die Wissenschaftstheorie begründeten Schritte
wissenschaftlicher Untersuchungen, die Aufstellung von Gesetzeshypothesen und ihre Über-
prüfung auf Tragfähigkeit hin1, auch in den historischen Wissenschaften notwendig sind2.
Diese Arbeitsweise läßt sich am Beispiel der hydraulischen Hypothese, die eine derartige Ge-
setzeshypothese ist, exemplifizieren.
Man könnte die hydraulische Hypothese so formulieren: In ariden oder semi-ariden Ge-
bieten entsteht immer dann, wenn die künstliche Bewässerung in größerem Ausmaß eingeführt
wird, eine bürokratische Zentralgewalt. Oder: Eine bürokratische Zentralgewalt entsteht nur
dann, wenn in ariden oder semi-ariden Gebieten die künstliche Bewässerung in größerem Aus-
maß eingeführt wird. Die Überprüfung einer solchen Hypothese kann anhand der für die alt-
ägyptische Hochkultur verfügbaren Daten erfolgen. Findet man, daß die bürokratische Zentral-
gewalt des Alten Ägypten ohne Koppelung mit großräumiger künstlicher Bewässerung ent-
standen ist, so ist die Hypothese falsifiziert. Läßt sich dieser Nachweis nicht führen, so gilt die
Hypothese als vorläufig, bis zum Auffinden neuer Überprüfungsverfahren, bewährt. (NB: Ob
man die hydraulische Hypothese so formuliert, wie hier angegeben, oder ob man nicht besser
eine differenziertere bzw. weniger weit reichende Aussage wählt, ist eine Frage, deren Beant-
wortung an dieser Stelle offen bleiben muß.)
Entsprechend der hier grundsätzlich bezogenen Position zur Wissenschaftstheorie werden
auch beim Aufbau einer Position gegen die hydraulische Hypothese Gesetzeshypothesen an-
genommen. Freilich kann dies nur ansatzweise geschehen. Die Datenbasis ist derzeit noch zu
unsicher, um Gesetzeshypothesen mit der Gewißheit ihrer Bewährung in künftigen Über-
1) Siehe Popper, Logik der Forschung. 2) Vgl. Kraft, Geschichtsforschung.
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