Lehre und Cultus in Tibet.
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die indischen Sckmlen aufstellen — Nirväua und Aufnahme in
Sukhävati — kommt in Tibet noch als dritter und niedrigster Grad
die Beschränkung der Wiedergeburt auf die „guten Wege",
nämlich als Gott in den Regionen der Götter, und als Mensch auf
der Erde. Diese Eiutheilung entspricht deu dreierlei Abstufungen
in Fähigkeiten und Verstäudniß der Lehre. Die absolut negativen
Begriffe als der Typus des Vollkommenen haben sich wohl in keinem
philosophischen Systeme der Erde in gleicher Weise entwickelt. Wider-
sprechender den: allgemeinen geistigen Gefühle des Menschen kann
wohl nichts gedacht werden, als Nirväna. Fast muß es scheinen,
daß das Bewußtsein der Unfähigkeit, Ewiges, Vollkommenes sich
vorzustellen, zuerst auf solche Begriffe geführt habe; aber so wie die
buddhistische Literatur uns vorliegt, läßt sie keinen Zweifel, daß
Nirväna als Gegenstand des unbedingten Glaubens in seiner wört-
lichsten Bedeutung aufgesaßt werde; auch die sorgfältigste Bespre-
chung mit gebildeteren Priestern, wobei ja so viel leichter versucht
werden konnte, etwaige persönliche Deutungen und Auffassungen zu
erlauschen, die in Büchern vielleicht verborgen geblieben wären, hatte
mir stets ergeben, daß noch immer die absolute Zerstörung als das
höchste Ideal betrachtet wird, wenn auch für den Laien und selbst
für den weniger intelligenten Priester eine der niedrigeren Stufen
der Vollkommenheit, jene von Sukhävati oder jene von Geburt uuter
den „guten Wegen" das günstigste ist, was er zu hoffen, ja zu
wüuschen wagt.
Die geistlichen Gewalten und die Hierarchie. Zu-
nächst ist hervorzuheben, daß die höchsten unter den Priestern als
Verkörperungen von Gottheiten gelten, welche zum Heile der Mensch-
heit menschliche Form annehmen und in dieser für die Ausbreitung
der Lehre und ihre Befolgung wirken. Obenan unter ihnen steht
der Dälai Läma, wörtlich „Priester-Ocean", sowohl in geistlichem
Ansehen, als auch hinsichtlich seiner Macht, denn er ist das hierarchische
Oberhaupt des größeren Theiles von Tibet; seine Residenz ist zu
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die indischen Sckmlen aufstellen — Nirväua und Aufnahme in
Sukhävati — kommt in Tibet noch als dritter und niedrigster Grad
die Beschränkung der Wiedergeburt auf die „guten Wege",
nämlich als Gott in den Regionen der Götter, und als Mensch auf
der Erde. Diese Eiutheilung entspricht deu dreierlei Abstufungen
in Fähigkeiten und Verstäudniß der Lehre. Die absolut negativen
Begriffe als der Typus des Vollkommenen haben sich wohl in keinem
philosophischen Systeme der Erde in gleicher Weise entwickelt. Wider-
sprechender den: allgemeinen geistigen Gefühle des Menschen kann
wohl nichts gedacht werden, als Nirväna. Fast muß es scheinen,
daß das Bewußtsein der Unfähigkeit, Ewiges, Vollkommenes sich
vorzustellen, zuerst auf solche Begriffe geführt habe; aber so wie die
buddhistische Literatur uns vorliegt, läßt sie keinen Zweifel, daß
Nirväna als Gegenstand des unbedingten Glaubens in seiner wört-
lichsten Bedeutung aufgesaßt werde; auch die sorgfältigste Bespre-
chung mit gebildeteren Priestern, wobei ja so viel leichter versucht
werden konnte, etwaige persönliche Deutungen und Auffassungen zu
erlauschen, die in Büchern vielleicht verborgen geblieben wären, hatte
mir stets ergeben, daß noch immer die absolute Zerstörung als das
höchste Ideal betrachtet wird, wenn auch für den Laien und selbst
für den weniger intelligenten Priester eine der niedrigeren Stufen
der Vollkommenheit, jene von Sukhävati oder jene von Geburt uuter
den „guten Wegen" das günstigste ist, was er zu hoffen, ja zu
wüuschen wagt.
Die geistlichen Gewalten und die Hierarchie. Zu-
nächst ist hervorzuheben, daß die höchsten unter den Priestern als
Verkörperungen von Gottheiten gelten, welche zum Heile der Mensch-
heit menschliche Form annehmen und in dieser für die Ausbreitung
der Lehre und ihre Befolgung wirken. Obenan unter ihnen steht
der Dälai Läma, wörtlich „Priester-Ocean", sowohl in geistlichem
Ansehen, als auch hinsichtlich seiner Macht, denn er ist das hierarchische
Oberhaupt des größeren Theiles von Tibet; seine Residenz ist zu