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Wie kann nun das Unendliche auf die Oberfläche, zur-
Erscheinung gebracht werden? Nur symbolisch, in Bildern
und Zeichen. Die unpoetische Ansicht der Dinge ist die,
welche mit den Wahrnehmungen der Sinne und den Be-
stimmungen des Verstandes alles an ihnen für abgethan hält; 5
die poetische, welche sie immerfort deutet und eine figürliche
Unerschöpflichkeit in ihnen sieht. (Kant spricht einmal von
der Chisferschrift, wodurch die Natur in ihren schönen Formen
figürlich zu uns spricht.) Dadurch wird erst alles für uns
lebendig. Dichten (im weitesten Sinne für das poetische
allen Künsten zum Grunde liegende genommen) ist nichts
andres als ein ewiges fymbolisiren: wir suchen entweder
für etwas Geistiges eine äußere Hülle, oder wir beziehen ein
Außres auf ein unsichtbares Innres.
Da nun Geist und Materie nach der Aussage slüss des 15
Verstandes sich durchaus entgegengesetzt sind, so daß gar kein
allmähliges Übergehen aus einem in das andre Statt findet,
so fragt sich wie wir dazu kommen, das Geistige materiell
offenbaren, und wiederum im Materiellen Geistiges erkennen
zu wollen? Unstreitig durch einen absoluten Akt, ohne uns 20
ans Erfahrungen und Schlüsse zu gründen; wir erkennen die
ursprüngliche Einerleyheit von Geist und Materie, welche nur
fpeculativ dargethan werden kann, unmittelbar wiewohl un-
bewußter Weise durch die That an. Tie Mittheilung unter
Menschen, wodurch doch erst die Entwickelung aller ihrer 2s
Anlagen möglich wird, hätte ohne das nie ihren Anfang
nehmen können; denn nicht einmal das Bestreben sich mit-
zutheilen konnte mitgetheilt werden, wenn die Menschen sich
nicht vor aller verabredeten Verständigung voraus schon ver-
ständen. Es ist eine bekannte Wahrheit, daß die Laute der 3»
Empfindung und die leidenschaftlichen Gebehrden ohne Ver-
mittlung irgend einer vorgängigen Kenntniß sogleich in der
Anschauung verstanden werden, so wie sie auch unabsichtlich,
oft unfreywillig, das was in uns vorgeht, am besten offen-
baren. Das Wort Ausdruck ist dafür fehr treffend gewählt: 35
das Innere wird gleichsam wie durch eine uns fremde Gewalt
herausgedrückt; oder der Ausdruck ist ein von innen hervor-
 
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