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tretendes Gepräge des Äußern. Auf dem s19^s willkührüchen
Gebrauche dieser Anlage zur Mittheilung mit gleichgearteten,
und als solche mit unmittelbarer Gewißheit anerkannten
Wesen, beruht die Fähigkeit zur Wortsprache. Soll etwas
5 mit Willkuhr bezeichnet werden, so muß es erst (wäre es
auch bloß eine Empfindung unsers Zustandes) als Gegen-
stand aus uns herausgestellt sehn, und folglich ist die Wort-
fprache nicht fowohl Ausdruck als Darstellung. Uns selbst
drücken wir aus, aber Gegenstände stellen wir dar. Diese
10 ganze Darstellung der Wortsprache ist nun ursprünglich sym-
bolisch. Das erste in ihr ist der Zusammenhang gewisser
Laute mit gewissen inneren Regungen als unmittelbarer
Zeichen derselben; aus diesen werden zuvörderst Zeichen der
Zeichen gebildet, und solche alsdann auf das manuichfaltigste
15 modifizirt immerfort von einein auf das andre übertragen,
welches nicht anders möglich ist, als daß jede Vorstellung
wieder zum Bilde oder Zeichen sür eine andre dient. Dieser
allgemeinen Symbolik oder Bilderung läßt sich auch in dem
Bane und der Ableitung der Sprachen, wie entfernt sie von
20 ihrem Ursprünge seyn mögen, sehr gut nachspüren.
Wie wir eben sahen, geht die Sprache vom bloßen Aus-
druck durch willkührüchen Gebrauch zur Darstellung fort;
wenn aber die Willkuhr ihr herrschender Charakter wird, so
verschwindet die s20^s Darstellung, d. h. der Zusammenhang
25 des Zeichens mit dem Bezeichneten; und die Sprache wird
alsdann nichts als eine Sammlung logischer Ziffern, tauglich
die Rechnungen des Verstandes damit abzumachen. Um sie
wieder Poetisch zu machen, muß also ihre Bildlichkeit
hergestellt werden, weswegen allgemein das uneigentliche,
so übertragene, tropische als dem poetischen Ausdrucke wesent-
lich betrachtet wird. Gewöhnlich macht man aber in den
Vorschriften der Dichtkunst den bloßen Verstand zum Rich-
ter über die Schicklichkeit dieser, wie man meynt, er-
laubten Zierrathen: es sollen Bilder und Vergleichungen
35 gebraucht werden, aber sie dürfen nicht zu kühn seyn,
sondern sich nur eben über die nüchterne Prosa erheben.
Man erkennt nicht an, daß die Poesie hierin überschwenglich
tretendes Gepräge des Äußern. Auf dem s19^s willkührüchen
Gebrauche dieser Anlage zur Mittheilung mit gleichgearteten,
und als solche mit unmittelbarer Gewißheit anerkannten
Wesen, beruht die Fähigkeit zur Wortsprache. Soll etwas
5 mit Willkuhr bezeichnet werden, so muß es erst (wäre es
auch bloß eine Empfindung unsers Zustandes) als Gegen-
stand aus uns herausgestellt sehn, und folglich ist die Wort-
fprache nicht fowohl Ausdruck als Darstellung. Uns selbst
drücken wir aus, aber Gegenstände stellen wir dar. Diese
10 ganze Darstellung der Wortsprache ist nun ursprünglich sym-
bolisch. Das erste in ihr ist der Zusammenhang gewisser
Laute mit gewissen inneren Regungen als unmittelbarer
Zeichen derselben; aus diesen werden zuvörderst Zeichen der
Zeichen gebildet, und solche alsdann auf das manuichfaltigste
15 modifizirt immerfort von einein auf das andre übertragen,
welches nicht anders möglich ist, als daß jede Vorstellung
wieder zum Bilde oder Zeichen sür eine andre dient. Dieser
allgemeinen Symbolik oder Bilderung läßt sich auch in dem
Bane und der Ableitung der Sprachen, wie entfernt sie von
20 ihrem Ursprünge seyn mögen, sehr gut nachspüren.
Wie wir eben sahen, geht die Sprache vom bloßen Aus-
druck durch willkührüchen Gebrauch zur Darstellung fort;
wenn aber die Willkuhr ihr herrschender Charakter wird, so
verschwindet die s20^s Darstellung, d. h. der Zusammenhang
25 des Zeichens mit dem Bezeichneten; und die Sprache wird
alsdann nichts als eine Sammlung logischer Ziffern, tauglich
die Rechnungen des Verstandes damit abzumachen. Um sie
wieder Poetisch zu machen, muß also ihre Bildlichkeit
hergestellt werden, weswegen allgemein das uneigentliche,
so übertragene, tropische als dem poetischen Ausdrucke wesent-
lich betrachtet wird. Gewöhnlich macht man aber in den
Vorschriften der Dichtkunst den bloßen Verstand zum Rich-
ter über die Schicklichkeit dieser, wie man meynt, er-
laubten Zierrathen: es sollen Bilder und Vergleichungen
35 gebraucht werden, aber sie dürfen nicht zu kühn seyn,
sondern sich nur eben über die nüchterne Prosa erheben.
Man erkennt nicht an, daß die Poesie hierin überschwenglich