Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schlosser, Julius von
Die Kunstliteratur: ein Handbuch zur Quellenkunde der neueren Kunstgeschichte — Wien, 1924

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6715#0200
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erste Ansätze zur K.unstgeschichtschreibung außerhalb Italiens.

181

bei dem Klostermanne nur natürlich. Höchst merkwürdig ist dann aber
in diesem Umkreise ein Widerhall aus fernem Kunstleben einer großen
Vergangenheit her; denn der Maler Zetus, der in Avignon unter
Benedikt XI. (1303—1304) Geschichten der Märtyrer gemalt hat, kann
kein anderer als der latinisierte Giotto (Joctus, Zotus) sein. Woher
diesem frühen deutschen Humanisten im Mönchsgewande solche später
durch Vasari weitverbreitete Kunde zugekommen ist, bleibt ziemlich
rätselhaft, ebenso wie die Erwähnung des großen Erneuerers der
Kunst selbst, wohl die erste, die jemals auf nordischem Boden
geschah. Der Ausdruck, er habe die Malerei zu der »Würde der
Alten» zurückgeführt, weist deutlich auf die Humanistenauffassung
des Rinascimento und eine italienische Vorlage hin. Ferner erwähnt
Butzbach noch einen bekannten Künstler, der ihm während seiner
holländischen Studienzeit in Deventer nahegerückt worden sein mag:
Israel civis Bucoliensis in arte sculpendi siibtilissimus. Das ist der
bekannte Kupferstecher Israel von Meckenem aus Bocholt (f um 1503).
Einige kunstliebende Klosterleute machen den Beschluß.

Alles dies waren aber nur vereinzelte Anläufe; es vergeht mehr
als ein Menschenalter, bis sich wieder ein bescheidener Kunst-
verwandter, abermals ein Nürnberger, an eine ähnliche Aufgabe macht.
Das sind die Na'chrichten von Künstlern und Werkleuten, die der
Schreib- und Rechenmeister Johann Neudörfer in Nürnberg (1497
bis 1563) 1547 verfaßt hat: kurze magere Notizen, eigenem Geständnis
nach in der kargen Mußezeit einer Woche für privaten Gebrauch
angelegt, und schon von Haus aus nicht für die Öffentlichkeit be-
stimmt. Das unterscheidet sie ebenso von den humanistisch-preziösen
Vorgängern in Italien als die chronikmäßige Art der Aufzeichnung,
die jeder Kritik und jedes künstlerischen Werturteils ermangelt.
Trotzdem sind sie als der dürftige Beginn deutscher Kunsthistorio-
graphie (wenn man von dem aphoristischen Scheurl absieht) ehrwürdig
und schätzbar; der spätere, schon ganz im wälschen Fahrwasser
schwimmende Sandrart hat sie benützt. Noch ärmlicher und magerer
ist die Fortsetzung-, die ein Andreas Gulden im 17. Jahrhundert
angestückt hat.

Dies alles wird aber in den Schatten/ gestellt durch die auto-
biographischen Äußerungen und Aufzeichnungen, die uns von dem
größten deutschen Künstler, Albrecht Dürer, selbst überkommen
sind. Namentlich gilt dies von dem Tagebuche seiner niederländischen
Reise 1520—1521, das seinem Stoffe nach eigentlich in das folgende,
die Periegese behandelnde Kapitel gehört, aber auch schon hier
genannt werden soll, weil es uns mehr als persönlichstes Dokument
des großen Meisters als durch das darin überlieferte Tatsachenmaterial
interessiert; es ist das erstemal, daß sich der Reichtum der altnieder-
 
Annotationen