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Schlosser, Julius von
Die Kunstliteratur: ein Handbuch zur Quellenkunde der neueren Kunstgeschichte — Wien, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.6715#0220
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Die Kunsttheorie Mittelitaliens vor Vasari.

20I

wir schon von Leonardo her kennen, tauchen in der Diskussion immer
wieder von neuem auf. Wie nicht anders zu erwarten, rühren die leb-
haftesten und persönlichsten Antworten von den beiden Männern her,
die, ohne der Schriftstellerzunft anzugehören, ihren dauernden Platz
im Schrifttum Italiens erobert haben, von Benvenuto Cellini und dem
jungen Vasari, der sich hier noch ganz ohne literarische Pose und
Prätention gibt; er ist noch nicht der, als welcher er nach der Jahr-
hundertmitte erscheint, der anerkannte und berühmte Autor des großen
Künstlerbuches, der neue Plutarch. Cellinis in echtem, volkstümlichem
Florentinisch geschriebener Brief ist doch der lebendigste von allen.
Er springt mit beiden Füßen in die Sache und nimmt sogleich eine
Fechterstellung ein; die Skulptur sei siebenmal besser als die Malerei,
weil sie nicht mit einer, sondern mit acht Ansichten (den zwei Haupt
und den sechs Nebenansichten) zu rechnen habe. Es ist ein Bekennt-
nis aus der Zeit des beginnenden neuen Stils, namentlich mit dem
Seitenblick auf den bequemen (und rückständigen) Meister, der sich
mit den beiden Hauptansichten begnügt, das reichlichen Anspruch
auf Beachtung hat. Auch die Art, wie Michelangelo als der größte
Maler der alten und neuen Zeit gepriesen wird (als angiolo, wie
Cellini sich wortspielend ausdrückt), ist für das Mittel aus dem Vasaris
Werk (in seiner ursprünglichen Gestalt) herauswachsen wird, überaus
bezeichnend, ebenso der Grund dafür, der zunächst in einer uns auch
sonst wohlbekannten und lange dauernden Atelierpraxis gesucht wird:
im Arbeiten des Malers nach dem kleinen plastischen Modell, nicht
nach der Vorzeichnung. Der Seitenblick auf die eigentliche Farben-
kunst, die Fioralisimalerei, ist echt toskanisch; dergleichen nennt
Cellini mit gewohntem Temperament eine Bauernfängerei un inganno-
contadini). Der Piatonismus seiner Zeit hat übrigens auch auf Cellini
abgefärbt; der Gemeinplatz, daß die Skulptur das Ding selbst, die
Malerei nur dessen Schatten gebe, erscheint auch hier zum guten
Schlüsse.

Im anderen Lager steht natürlich Vasari; er ist auch darin noch
ganz Maler, noch nicht Schriftsteller, daß er sich schließlich von
Freund Varchi mit der anmutigen Wendung verabschiedet, er hätte
ihm wahrhaftig lieber ein Bild gemalt als diesen Brief geschrieben.
Sein wesentlichster Grund, die unendliche Überlegenheit der Malerei
in der Darstellung des gesamten Weltphänomens mit seinem Formen-
reichtum, weist auf die Wege, die die neue Malerei zu wandeln sich
anschickt; interessant ist seine Bemerkung, daß »heutzutage schon keine
Schuhflickerbude mehr ohne eine deutsche Landschaft sei«.

Am kürzesten und nicht ohne Anmut, mit einer hübschen An-
ekdote von Andrea del Sarto, zieht sich der Maestro Tasso aus der
Affäre; ernsthaft und farblos, mit Ausführung des platonisierenden
 
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