Sie ist aus Heidelberg gegangen, aus der ganzen Pfalz,
und sie hat als Persönlichkeit kaum eine Spur hinterlassen.
Das hat sie nirgendwo getan. Das war ihr nicht gegeben.
Sie war vielleicht die unpersönlichste aller Stuarts. Aber
aus ihrer Verbindung mit dem Fürsten aus der fröhlichen,
schönen Pfalz ist sie in all ihrer englischen Steifheit und
Stuartkühle die Mutter von Kindern scharfer merkwürdiger
Eigenart geworden. Und durch diese Kinder und durch
deren Nachkommen wirkt sie noch bis zu uns her.
Oder eigentlich doch nur durch die Nachkommen ihrer
Tochter Sophie. Die sollte zuerst den Herzog Georg Wil-
helm von Celle heiraten, aber das zerschlug sich aus wunder-
lichen Gründen : der junge Prinz hatte sich in Venedig auf
dem Carneval so ausgetobt, dass er sich selbst nicht mehr
für recht würdig hielt, als Bräutigam der Prinzessin auf-
zutreten, und so stand er zurück, und Sophie reichte ihre
Hand, — denn nach dem Herzen heiratete man damals weit
weniger als heute —, dem Bruder des Celler Herzogs, dem
Kurfürsten Ernst August von Hannover.
Sie hat den Tausch nicht zu bereuen gehabt. Sie hat
an der Seite des bedeutenden Fürsten, der einen grossen
Teil von dem Besitz Heinrichs des Löwen in seiner Hand
vereinigte, und der sich auch in den Kriegen gegen den
vierzehnten Ludwig auszeichnete — was ihn aber durch-
aus nicht hinderte, sein Leben ganz und gar nach dem Vor-
bilde der Majestät von Frankreich einzurichten — das Leben
der legitimen Fürstenfrauen jener Tage geführt. Sie hat mit
ihrer Nichte in Paris, mit der Liselotte eifrig Briefe ge-
wechselt. Sie hat mit Leibniz kluge Dinge geredet. Aber
erst nach ihrem Tode zeigte es sich, welch eine grosse Be-
deutung sie für das Haus Hannover haben sollte.
Im Jahre 1714, zwei Monate nach dem Tode der Philo-
sophin von Hannover, starb in England die Königin Anna,
die letzte regierende Frau aus dem Hause der Stuarts. Als
man unter den Erben nach Englands Krone Umschau hielt,
zeigte es sich, dass nur das Haus Hannover die unerläss-
liche Forderung, protestantisch zu sein, erfüllte, und so
wurde Georg Ludwig, ein Enkel der Winterkönigin, als
Georg I. König von England. Bis 1837 hatten Hannover
und England einen und denselben Herrscher ....
Und Sophie Charlotte, die Schwester dieses ersten eng-
lischen Königs aus dem Hause Hannover, heiratete nach
Preussen, und sie wurde die erste preussische Königin.
So stammen denn alle heute lebenden Hohenzollern der
königlichen Linie von der Winterkönigin ab. Auch die Prin-
zessin Viktoria Luise, des Kaisers einzige Tochter, die ge-
rade jetzt die Gattin des letzten Weifen aus dem Hause
Hannover geworden ist. Sie haben also beide die Winter-
königin in ihren Ahnentafeln ....
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und sie hat als Persönlichkeit kaum eine Spur hinterlassen.
Das hat sie nirgendwo getan. Das war ihr nicht gegeben.
Sie war vielleicht die unpersönlichste aller Stuarts. Aber
aus ihrer Verbindung mit dem Fürsten aus der fröhlichen,
schönen Pfalz ist sie in all ihrer englischen Steifheit und
Stuartkühle die Mutter von Kindern scharfer merkwürdiger
Eigenart geworden. Und durch diese Kinder und durch
deren Nachkommen wirkt sie noch bis zu uns her.
Oder eigentlich doch nur durch die Nachkommen ihrer
Tochter Sophie. Die sollte zuerst den Herzog Georg Wil-
helm von Celle heiraten, aber das zerschlug sich aus wunder-
lichen Gründen : der junge Prinz hatte sich in Venedig auf
dem Carneval so ausgetobt, dass er sich selbst nicht mehr
für recht würdig hielt, als Bräutigam der Prinzessin auf-
zutreten, und so stand er zurück, und Sophie reichte ihre
Hand, — denn nach dem Herzen heiratete man damals weit
weniger als heute —, dem Bruder des Celler Herzogs, dem
Kurfürsten Ernst August von Hannover.
Sie hat den Tausch nicht zu bereuen gehabt. Sie hat
an der Seite des bedeutenden Fürsten, der einen grossen
Teil von dem Besitz Heinrichs des Löwen in seiner Hand
vereinigte, und der sich auch in den Kriegen gegen den
vierzehnten Ludwig auszeichnete — was ihn aber durch-
aus nicht hinderte, sein Leben ganz und gar nach dem Vor-
bilde der Majestät von Frankreich einzurichten — das Leben
der legitimen Fürstenfrauen jener Tage geführt. Sie hat mit
ihrer Nichte in Paris, mit der Liselotte eifrig Briefe ge-
wechselt. Sie hat mit Leibniz kluge Dinge geredet. Aber
erst nach ihrem Tode zeigte es sich, welch eine grosse Be-
deutung sie für das Haus Hannover haben sollte.
Im Jahre 1714, zwei Monate nach dem Tode der Philo-
sophin von Hannover, starb in England die Königin Anna,
die letzte regierende Frau aus dem Hause der Stuarts. Als
man unter den Erben nach Englands Krone Umschau hielt,
zeigte es sich, dass nur das Haus Hannover die unerläss-
liche Forderung, protestantisch zu sein, erfüllte, und so
wurde Georg Ludwig, ein Enkel der Winterkönigin, als
Georg I. König von England. Bis 1837 hatten Hannover
und England einen und denselben Herrscher ....
Und Sophie Charlotte, die Schwester dieses ersten eng-
lischen Königs aus dem Hause Hannover, heiratete nach
Preussen, und sie wurde die erste preussische Königin.
So stammen denn alle heute lebenden Hohenzollern der
königlichen Linie von der Winterkönigin ab. Auch die Prin-
zessin Viktoria Luise, des Kaisers einzige Tochter, die ge-
rade jetzt die Gattin des letzten Weifen aus dem Hause
Hannover geworden ist. Sie haben also beide die Winter-
königin in ihren Ahnentafeln ....
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