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Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0056
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56

ler Dichtung aufweist; auch diese ist von Oechelhaeuser
nicht erkannt worden, denn er sagt a. a. 0. S. 129: „Von einem
direkten Zusammenhange zwischen Bild und "Wort kann auch
diesmal nicht die Rede sein, nur dass in sinniger Weise durch
Hiuzufügung des Blumenflors und der Tierwelt ein engerer
Bezug zu der Vorliebe des Dichters für Blumenduft und Vo-
gelsang angedeutet ist, welche in seinen Versen so reizvoll
wiederklingt." Ueberhaupt halte ich es zur Erlangung einer
richtigen Auffassung derartiger Illustrationen, wie sie die Ma-
nessische, wie sie die Weingartner, und die Handschrift
des Wilhelm von Oranse in Cassel aufweisen, nicht nur
für vorteilhaft, sondern für unbedingt erforderlich, erst immer
den beigeschriebenen Text einer sorgfältigen Prüfung zu un-
terziehen und erst dann das Bild als solches zu betrachten.
Wenn die Dichtung für die Beurteilung des Bildes nichts
hergibt, so ist doch immer die Vergleichung mit Bildern ähn-
licher Composition da, welche grobe Irrtümer betreffs derselben
ausschliesst.

Unser Bild bezieht sich nämlich auf die 1. Strophe des
1. Liedes und liefert eine getreue Illustration zu derselben.
Die betreffende Strophe lautet:

Es sint guotiu niuwe märe,

das die vogel offenbare

singent da man bluomen siet.

suo den siten in dem järe

stüende wol das man vrö wäre:

leider des enbin ich niet.

min tumbes herse mich verriet,

das ich muos unsanfte und swäre

tragen leit das mir geschiet1).
Was der Dichter hier mit Worten gesagt, das hat der Maler
getreu im Bilde zum Ausdruck gebracht; wie hier die Trauer

1) III. 2. kann dem Maler, trotz der grossen inhaltlichen Aehnlich-
keit mit I. 1., nicht die Anregung zu dem vorliegenden Bilde gegeben
haben, da der Ausdruck „unledic von sorgen" (i. e. nicht frei von be-
drückter Stimmung) viel zu schwach ist im Vergleich zu der in sich
versunkenen Haltung des Dichters.
 
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