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Schulz-Rehberg, Rose-Marie
Die Aachener Elfenbeinsitula: ein liturgisches Gefäss im Spannungsfeld von Imperium und Sacerdotium. Eine kunst-historische Analyse — Münster, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.22767#0088
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Bartholomäus benutzt. Das Motiv der geschuppten und gedrehten Säu-
lenschäfte findet sich auch im Tempio sul Clitunno (5.-6Jahrhundert)362;
als Parallele für die wagrechten Unterteilungen der Säulenschäfte ist zu-
dem die Rahmenarchitektur der Marientafel des Lorscher Diptychons an-
zuführen.363 Dieses der Situla gerade in struktureller Hinsicht sehr nahe
stehende Kunstwerk, das im Auftrag Ottos III. entstanden sein dürfte,
hat ganz offensichtlich gestalterische Hauptimpulse aus der christlichen
Sarkophagplastik um 400 empfangen.

c. Zu den Schmuckbändern und ihrer stilistischen Einordnung

Die drei Schmuckbänder (Abb. 1-4) weisen zwischen ihren erhabenen
Perldrahträndern insgesamt 72 Zierelemente auf, wovon 70 gefasste
Steine sind und zwei davon - unterhalb der Henkelansätze - die Mas-
kenköpfe (C 4 und C 8) darstellen. Auf jedem Abschnitt des Oktogons
befinden sich also pro Band drei Schmuckelemente. Die Steine sind von
ziemlich hoch gearbeiteten goldfarbenen Fassungen durch - zwischen
acht bis zwölf - kräftige Krappen gehalten, die den Eindruck eines ge-
zackten Rahmens um die Steine entstehen lassen. Von der Seite her wird
auf jeder Krappe eine blatt- oder blütenförmige Gravur sichtbar. Zwi-
schen den Steinen leuchtet der goldfarbene, leicht aufgeraute unverzier-
te Untergrund durch. Die Steinfarbigkeit muss man sich ursprünglich
weitaus intensiver vorstellen. Sie ist durch die Alterung sehr zurückge-
gangen, da die allermeisten Steine nicht durch ihre Eigenfarbe sondern
durch unterlegte, oft stark craquelierte Pigmente leuchten.

Kompositionen ist die Anordnung der Steine sehr stringent. Sie greift die
latente Dreiteiligkeit der Abschnitte der zwei Hauptstreifen (jeweils eine
Zentralfigur zwischen zwei Rahmenelementen) konsequent auf. Dadurch
verstärkt sich der repräsentative Charakter der Situla, wovon sich dann
allerdings der obere Abschlussfries - wie Grotesken in einer Handschrift
- abhebt.

Die Schmuckbänder kontrastieren spannungsvoll mit dem Elfenbein und
bringen eine im skulpturalen Bereich ungewohnte Wirkung hervor. Eine
solche Verbindung von Materialien ist zwar bei Bucheinbänden für Heilige
Schriften häufig anzutreffen, aber bei kirchlichen Gebrauchsobjekten
sehr ungewöhnlich. Eine weitere Ausnahme bilden der Ambo Heinrichs
II. und mehrere nur aus den Quellen überlieferte andere Ambonen, wie
diejenigen von St. Denis oder Konstantinopel.364

Bei der „Entdeckung" der Situla auf dem Ambo und ihrer daraufhin vor-
genommenen Wiederherstellung, betrachtete Franz Bock ihre Schmuck-

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