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Kunstwerkes hingewiesen werden, eine Tendenz, die sich im Laufe unse-
rer Betrachtung an Werken vom Ende des 10. Jahrhunderts immer wie-
der hat und wird ablesen lassen.

Als eines der seltenen Werke ottonischer Grossplastik muss noch der
Pozzo von S. Bartolomeo all'Isola in Rom einbezogen werden (Abb.
67).356 Diese Kirche ist eine Stiftung Ottos III. - wohl um 1000, nach
seiner Rückkehr aus Gnesen -, auf den Grundmauern eines Asklepios-
Heiligtums errichtet.357 Auf den heute barocken Stufen zum Chor steht in
der Mitte ein ca. 80 cm hoher Ziehbrunnen aus Marmor über der ur-
sprünglichen Öffnung zur heilenden Quelle.358 Er trägt an seiner Aussen-
seite unter flachen Spitzarkaden zwischen vier reich ornamentierten Säu-
len vier seine ganze Höhe weitgehend beanspruchende frontale Standfi-
guren. Bei ihnen handelt es sich um den heiligen Adalbert, Christus, den
heiligen Bartholomäus und einen gekrönten Herrscher, der allgemein als
Otto III. aufgefasst wird, zumal er auf seinem Reichsapfel die Miniatur
einer Kirche trägt, wie es Stiftern zukommt. Ein leoninischer Hexameter
ist auf alle vier Figurenfelder verteilt: OS PUTEI SANCTI CIRCUMDANT
ORBE ROTANTI.359 Aus dieser Inschrift lässt sich nicht zwangsläufig ab-
leiten, dass die Figuren als „heilig" bezeichnet werden. So fällt das Ar-
gument, der Pozzo müsse deswegen nach dem Tode Ottos III. entstan-
den sein, dahin - ausserdem wurde Otto auch nach seinem Tode nicht
heilig gesprochen.360

Die Art und Weise, wie die Standfiguren in ihren architekturgerahmten
Nischen in Erscheinung treten, ist mit der Situla auffällig verwandt. Da-
durch, dass keine Velen eingefügt sind und der glatte Untergrund
Schriftzüge trägt, ist der Tiefeneffekt etwas reduziert. Aber im Ganzen
wirken die Figuren in ihrem Bildraum beweglich - übrigens in unter-
schiedlichem Masse. Vor allem die Christusfigur beansprucht ihren Raum,
und ihr Gewand wirkt zudem sehr stofflich. Der Kaiser, der heilige Adal-
bert sowie der heilige Bartholomäus, der eine Paraphrase der Christusfi-
gur ist, wirken flächiger und starrer. Wahrscheinlich gab es für die Chris-
tusfigur eine Vorlage, während die anderen drei Figuren vorwiegend den
Fähigkeiten der Künstler um 1000 entsprungen sein dürften. Das Vorbild
für die Christusfigur wie für die architektonische Gliederung des Pozzo
lässt sich unschwer in einem Säulensarkophag des 4. Jahrhunderts ver-
muten, auf dem eine Traditio legis dargestellt war (Abb. 68).361 Aller-
dings verweist das Standmotiv mit den zu ihrer Linken zeigenden Füssen
auf eine Figur, die sich zur Mitte wendet, also zur Rechten Christi zu
denken wäre. Der Künstler dürfte eine frontal und eine seitlich aufge-
fasste Figur zu einer einzigen zusammengezogen haben. Ausserdem
wurde derselbe Typus, weniger elaboriert, gleich noch für die Figur des

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