1. Einleitung
Eines der herausragenden Objekte in der Domschatzkammer des Aache-
ner Liebfrauenmünsters ist das als „Aachener Situla" bekannt gewordene
elfenbeinerne Weihwassergefäss. Es handelt sich um einen oktogonalen
kleinen Eimer von 17,5 cm Höhe und ca. 10,5 cm oberem Durchmesser,
mit einem Metallhenkel und einem silbervergoldeten Inneneimer. Er wird
durch drei horizontal verlaufende, mit Steinen besetzte Metallbänder in
zwei Hauptzonen und einen schmalen oberen Abschlussfries gegliedert
(Abb. 1-6). Die Hauptreliefs der Situla tragen auf jeder Seite des Acht-
ecks jeweils eine von Architekturelementen umgebene Figur. Die drei
Figuren im Zentrum des oberen Hauptreliefs sind sitzend wiedergege-
ben, alle anderen stehend. Im oberen Bereich handelt es sich um Dar-
stellungen geistlicher Würdenträger und eines Herrschers, in der unteren
Zone um gerüstete Wächtergestalten.
Neben der Aachener Situla haben sich noch drei weitere Weihwasserei-
mer aus Elfenbein erhalten, die im Zeitraum von höchstens 50 Jahren,
zwischen 980-1020, entstanden sind.1 Der älteste dürfte die Situla mit
Maria und den vier Evangelisten im Mailänder Domschatz sein, die durch
die Stifterinschrift eines Vates Ambrosi Gotfredus höchstwahrscheinlich
mit Kaiser Otto IL verbunden ist (Abb. 7).2 Eine weitere Situla mit Sze-
nen aus der Passion Christi befindet sich im Victoria & Albert-Museum in
London.3 Durch stilistische Parallelen ist ihre Lokalisierung nach Mailand
ebenfalls wahrscheinlich (Abb. 8).4 Im Metropolitan Museum von New
York wird schliesslich ein etwas kleinerer, zehn Szenen aus dem Leben
Jesu wiedergebender Weihwassereimer gezeigt. Er stammt aus Cranen-
burg aus dem Beginn des 11. Jahrhundert (Abb. 9).5 Der Vollständigkeit
halber soll auch - obwohl erst im 12. Jahrhundert entstanden - ein etwas
kleinerer achteckiger Elfenbeinbecher (Höhe ca. 11,5 cm) in den Musees
Royaux d'Art et d'Histoire in Brüssel erwähnt werden.6
Erst im 19. Jahrhundert befasste sich die Wissenschaft systematisch mit
diesen kirchlichen Gebrauchsgegenständen.7 Neue Objekte wurden nach
alten Vorbildern geschaffen - auf den unterschiedlichsten Qualitätsni-
veaus. So findet sich beispielsweise im Schatz der Kathedrale St. Jean-
Baptiste zu Lyon ein Elfenbein-Weihwassergefäss, das noch im Guide
bleu von 1959 dem 12. Jahrhundert zugerechnet wird.8 Ebenso gibt es
im Museum von Metz eine Elfenbeinsitula, die 1960 als Legat entgegen-
genommen und für eine Arbeit des 10. Jahrhunderts gehalten wurde.9
Beide Arbeiten entstanden jedoch unzweifelhaft im 19. Jahrhundert.
Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dann auch die Situla in
der Aachener Pfalzkapelle durch Kanonikus Franz Bock (1830-1899)10,
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Eines der herausragenden Objekte in der Domschatzkammer des Aache-
ner Liebfrauenmünsters ist das als „Aachener Situla" bekannt gewordene
elfenbeinerne Weihwassergefäss. Es handelt sich um einen oktogonalen
kleinen Eimer von 17,5 cm Höhe und ca. 10,5 cm oberem Durchmesser,
mit einem Metallhenkel und einem silbervergoldeten Inneneimer. Er wird
durch drei horizontal verlaufende, mit Steinen besetzte Metallbänder in
zwei Hauptzonen und einen schmalen oberen Abschlussfries gegliedert
(Abb. 1-6). Die Hauptreliefs der Situla tragen auf jeder Seite des Acht-
ecks jeweils eine von Architekturelementen umgebene Figur. Die drei
Figuren im Zentrum des oberen Hauptreliefs sind sitzend wiedergege-
ben, alle anderen stehend. Im oberen Bereich handelt es sich um Dar-
stellungen geistlicher Würdenträger und eines Herrschers, in der unteren
Zone um gerüstete Wächtergestalten.
Neben der Aachener Situla haben sich noch drei weitere Weihwasserei-
mer aus Elfenbein erhalten, die im Zeitraum von höchstens 50 Jahren,
zwischen 980-1020, entstanden sind.1 Der älteste dürfte die Situla mit
Maria und den vier Evangelisten im Mailänder Domschatz sein, die durch
die Stifterinschrift eines Vates Ambrosi Gotfredus höchstwahrscheinlich
mit Kaiser Otto IL verbunden ist (Abb. 7).2 Eine weitere Situla mit Sze-
nen aus der Passion Christi befindet sich im Victoria & Albert-Museum in
London.3 Durch stilistische Parallelen ist ihre Lokalisierung nach Mailand
ebenfalls wahrscheinlich (Abb. 8).4 Im Metropolitan Museum von New
York wird schliesslich ein etwas kleinerer, zehn Szenen aus dem Leben
Jesu wiedergebender Weihwassereimer gezeigt. Er stammt aus Cranen-
burg aus dem Beginn des 11. Jahrhundert (Abb. 9).5 Der Vollständigkeit
halber soll auch - obwohl erst im 12. Jahrhundert entstanden - ein etwas
kleinerer achteckiger Elfenbeinbecher (Höhe ca. 11,5 cm) in den Musees
Royaux d'Art et d'Histoire in Brüssel erwähnt werden.6
Erst im 19. Jahrhundert befasste sich die Wissenschaft systematisch mit
diesen kirchlichen Gebrauchsgegenständen.7 Neue Objekte wurden nach
alten Vorbildern geschaffen - auf den unterschiedlichsten Qualitätsni-
veaus. So findet sich beispielsweise im Schatz der Kathedrale St. Jean-
Baptiste zu Lyon ein Elfenbein-Weihwassergefäss, das noch im Guide
bleu von 1959 dem 12. Jahrhundert zugerechnet wird.8 Ebenso gibt es
im Museum von Metz eine Elfenbeinsitula, die 1960 als Legat entgegen-
genommen und für eine Arbeit des 10. Jahrhunderts gehalten wurde.9
Beide Arbeiten entstanden jedoch unzweifelhaft im 19. Jahrhundert.
Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dann auch die Situla in
der Aachener Pfalzkapelle durch Kanonikus Franz Bock (1830-1899)10,
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