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Schulz-Rehberg, Rose-Marie
Die Aachener Elfenbeinsitula: ein liturgisches Gefäss im Spannungsfeld von Imperium und Sacerdotium. Eine kunst-historische Analyse — Münster, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.22767#0090
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leicht hatte Otto III. das Kleinod wieder in Stand stellen lassen, nachdem
er es dem Grab Karls des Grossen entnommen hatte - die Kastenfassun-
gen der übrigen Steine des Talismans wirken viel altertümlicher. Dass
damals ganz aktuell ein Goldschmied für ihn in Aachen tätig wurde, geht
zumindest aus der Bemerkung hervor, Otto habe nach der Graböffnung
die Nase Karls des Grossen in Gold nachbilden lassen.370

Auch am „Arnulf-Ziborium" (um 870) findet sich eine ähnliche Art lilien-
förmiger gravierter Krappen, von linsenförmigem Perldraht gesäumt.371
Zudem wechseln die ovalen und rechteckigen Schmucksteine auf man-
chen der ganz ähnlich strukturierten Zierbänder in vergleichbarer Weise
wie auf der Situla ab.

Der „Jüngere Lindauer Buchdeckel" der Pierpont Morgan Library in New
York (um 870) hat um das zentrale Kreuz herum verlaufende, ähnlich
strukturierte Zierbänder wie die Situla - gleichmässig rechteckig und
rund abwechselnde Steinformen zwischen linsenförmigem Perldraht -
und zum Teil verwandte Fassungen.372

Auch der Buchdeckel des Codex Aureus von St. Emmeram (kurz nach
870) weist dasselbe System bei den Schmuckbändern auf, welche die im
Zentrum thronende Christus-Figur rahmen: die Form der Schmucksteine
ist abwechselnd rund und oval, von Perldraht eingerahmt, sie sind aller-
dings dichter gesetzt und der Streifen ist vielschichtiger aufgebaut. Es
gibt darauf ausserdem mit der Situla vergleichbare Krappenformen.373

Auf einem Buchdeckel mit getriebenen Evangelistensymbolen (1. H. 10.
Jahrhundert) im Victoria & Albert Museum wird die zentrale Crux gem-
mata geschmückt durch abwechselnd rechteckige und ovale Schmuck-
steine in Kastenfassungen, gerahmt von grobkörnigem Perldraht als
Randeinfassung.374 Hier ist eine ähnliche Reduktion auf Grundformen zu
finden wie bei den Schmuckbändern der Situla - ohne Ornamentierung
des Grundes - allerdings sind die Fassungen verschieden.

Alle Schmuckbänder auf dem Deckel des Codex Aureus Epternacensis
(985-91) sind vergleichbar strukturiert, obschon es hier Emails sind, die
mit Steinen abwechseln (Abb. 69). Das Dekorationssystem ist jedoch
ähnlich rhythmisiert wie die Anordnung der Steine auf den Schmuckbän-
dern der Situla.375

Vergleicht man damit nun gesicherte Arbeiten aus heinrizischer Zeit, z.B.
den Deckel des Perikopenbuchs Heinrichs II.376, zeigt sich, dass dort die
Dekorationssysteme der Bänder durchwegs anders ausgelegt sind. Das
gilt auch für die Originalleisten von Ambo und Lesepult im Aachener Dom
(Abb. 16, 17): Die freien Flächen zwischen den gefassten Edelsteinen

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