Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sind durch filigranes nur z. T. symmetrisch aufgebautes Rankenwerk
überzogen. Desgleichen ist die Anordnung der Steine selbst zwar von ei-
ner gewissen Regelmässigkeit, indem Paare von zwei kleinen Steinen je-
weils einen grösseren in der Mitte rahmen, aber auch hier sind die For-
men der einzelnen Steine keineswegs konsequent eingehalten. Das mag
zwar mit der Wiederherstellung des Ambo nach der napoleonischen Be-
satzung zusammenhängen, im Prinzip entspricht dies aber auch der Art
und Weise, wie das ganze Schmuckband, einschliesslich der Filigranran-
ken, konzipiert ist.

Je jünger die Objekte werden, desto weniger stringent ist die Steinan-
ordnung auf den jeweiligen Schmuckbändern, auch Perldraht wird prak-
tisch nicht mehr verwendet. Von den spätesten vergleichbaren Perldraht-
rahmungen finden sich noch auf dem Deckel des Evangeliars aus Hel-
marshausen, der Rogier von Helmarshausen zugeschrieben und um 1100
datiert wird.377 Sollten also die originalen Bänder einmal ersetzt worden
sein, ist es am ehesten noch bis in diese Zeit hinein denkbar. Es gibt kei-
ne Parallelbeispiele archaisierender Wiederherstellungen aus viel späterer
Zeit, die zeigen, dass es möglich und beabsichtigt gewesen wäre, so
eminente Stildifferenzen zu überspringen.378

Ein weiteres Argument für die mittelalterliche Konzeption des Edelstein-
schmucks auf der Situla ist dessen Symbolik. Skubiszewski unterstreicht
die stark symbolhaltige Konzeption der Anordnung und Aufteilung des
Edelsteinschmucks, die detailliert im Abschnitt über die Symbolik der Si-
tula noch besprochen wird (vgl. Kapitel 6).

Zusammenfassend kann zur Frage der Entstehung der Schmuckbänder
gesagt werden, dass ihrem Schmucksystem sowohl in stilistischer wie in
konzeptioneller Hinsicht ein mittelalterliches Werk zugrunde liegt, das
zeitlich gut ans Ende des ersten Jahrtausends passt. Von Originalen je-
ner Zeit scheint sie sich jedoch trotzdem zu unterscheiden. Vor allem der
leere Grund hat damals kaum Parallelen - eine der seltenen Ausnahmen
ist der Buchdeckel im Victoria & Albert Museum - und ist auch später
nicht gerade häufig anzutreffen. Auch das wenig kostbare Material hat
Ersatzcharakter: Messing, zwar vergoldet, und vorwiegend Glasflüsse.
Dazu kommt die wenig sensibel wirkende Arbeit des linsenförmigen Perl-
drahts und der Fassungen. Wann aber diese zweite Version entstanden
sein könnte, ist eine Frage, die vorläufig noch offen bleiben muss. Ver-
gleicht man die Schöpfungen Cremers von 1816-17 für den Ambo oder
das Buchpult damit (Abb. 15), wird deutlich, dass sie mit den Schmuck-
bändern so gut wie nichts gemeinsam haben. Angesichts dessen, dass
zumindest die Vorlage der Schmuckbänder einen eindeutig hochmittelal-

86
 
Annotationen