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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0057
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Einleitung. 3

die Erweiterung der Aegyptischen 3fythoIogie durch das häufigere Aufzeigen eines übergangenen
Stoffes noch irgend möglich? Das Räthsel dürfte sich lösen, wenn man nur die bisherigen Bear-
beitungen der Aegyptischen Mythologie mit einander selbst und wiederum mit den Quellen vergleicht.
Es ergiebt sich dann sehr bald, dass öfters der eine Gelehrte diese Stelle aus einem alten Schrift-
steller für seine Ansicht sprechen Hess, welche, obschon an sich sehr brauchbar, ein anderer als
für seine Meinung unbrauchbar mit Stillschweigen überging und dass umgekehrt der erstere als
nutzlos fallen Hess, was der letztere als reichen Fund sich aufhob. Es möchte sich also nicht sel-
ten ein freiwilliges Abstehen von dem an sich gleich brauchbaren Vorrathe nachweisen lassen, wel-
ches durch die Verschiedenheit der besonderen Grundsätze veranlasst wurde. Bisweilen werden
jedoch Bestimmungen, welche uns die alten Schriftsteller über die Aegyptische Religion mittheilen,
in fast allen bisherigen Darstellungen vermisst. Auch hierüber glaubt der Verfasser weiter unten
durch den Erweis einer gewissen einseitigen Auffassung der Aegyptischen Religion befriedigenden
Aufschluss geben zu können.

Obgleich sich unsere Behauptung durch die ausführliche Behandlung der Aegyptischen Reli-
gionslehre von selbst bethätigen muss und, wie wir hoffen, schon in diesem Bande für einzelne
Theiie der genannten Wissenschaft bethätigen wird, so erlauben wir uns doch vorläufig einige
Blicke auf mehrere der bedeutenderen Bearbeitungen zu werfen, um das Gesagte durch Andeutung
einzelner Beispiele zu unterstützen.

Vor allen zieht unsere Aufmerksamkeit das Pantheon des gelehrten und scharfsinnigen Ja-
blonski auf sich. Die Verdienste dieses Werkes, wenn man es mit dem, was vorher und wohl
auch im Allgemeinen mit dem, was nachher in dieser Wissenschaft gethan ward, vergleicht, sind
so gross, dass, wollte man es unabhängig von seinem auf die Folgezeit ausgeübten Einflüsse beur-
theilen, man billigerweise auf Jablonski den Grundsatz: Ueber Abgeschiedene nichts als Gutes —
anwenden müsste. Allein es erging Jablonski's Pantheon wie fast jeder hervorragenden Erschei-
nung in der Literatur. Es erhielt eine lange Zeit, ja sogar bis auf die neueste Zeit, mit allen
Vorzügen, aber leitler auch mit allen seinen Schwächen ein wahrhaft kanonisches Ansehen. Die
Begriffe, Avelche nach Jablonski die Aegyptischen Götter darstellen, galten fast überall als ausge-
machte Wahrheit und, fand man auch manchen derselben nicht auf völlig genügende Weise darge-
than, so war man nur zu geneigt, die Ursache hiervon nicht Jablonski's Behandlungsweise, sondern
der Armuth der vorhandenen Quellen beizumessen. Man erlaubte sich wohl, hier und da das Pan-
theon zu ergänzen, allein einmal von ihm aufgestellte Begriffe völlig umzustossen, hätte als Ketze-
rei gegolten. Lieber stellte man im äussersten Falle neue, vielleicht geradezu entgegengesetzte
Bestimmungen den Jablonski'schen an die Seite, aber man hütete sich wohl, durch Gründe dessen
Dogmatik anzutasten. Insbesondere galt Jablonski's Pantheon als der Inbegriff eines vollendeten
Quellenstudiums. Ja, dürfte der Verfasser unbeschadet der seinen Vorgängern gebührenden Achtung
frei seine Meinung sagen, so scheinen ihm mehrere Verfasser Aegyptischer Mythologien, gleichsam
durch Jablonski's Fieiss eingeschläfert, ein erneuertes, umfassendes Quellenstudium als eine uner-
kleckliche Jlühe bei Seite geschoben und sich mehr auf ein subjectives Verarbeiten des von Ja-
blonski und älteren Archäologen Gesammelten beschränkt zu haben. Allein trotz seiner Verdienste
ist nicht nur das Pantheon, wie wir sehen werden, mit einem gänzlichen Mangel an Kritik behaf-
tet, der es nothwendig zu manchen irrigen Annahmen verleiten musste, sondern es enthält auch
keinesweges den Reichthum classischer Beweissteilen für die Aegyptische Religionslehre ihrem grös-

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