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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0202
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148

Ueber die Hauptsysteme

die Berufung auf Heliodor *), welcher den Aethiopiern eine zwiefache Schrift, eine volksübliche und
eine königliche, die der Aegyptisch-hieratischen ähnlich sei, zuschreibt, spräche nur für die späte
Zeit dieses Schriftstellers, in welcher der Ueberrest der altägyptischen Eigenthümlichkeit sich vor
dem siegenden Christenthume nach Aethiopien zu retten suchte und demnach leicht etwas vorher in
Aethiopien noch nicht Vorhandenes seit kurzein dorthin verpflanzt haben konnte. Nun hat man, so
viel ich weiss, in Aethiopien bis jetzt noch keine demotischen Schriften gefunden, ob schon es mög-
lich, ja selbst wahrscheinlich ist, dass die Pyramiden zu Napata und Meroe dergleichen enthalten.
Allein für. die Hieroglyphenschrift bietet sich der merkwürdige Umstand dar, dass sich, wie wir
schon oben nach Herrn Cailliaud bemerkten, auf den ältesten Aethiopischen Monumenten theils gar
keine, theils sehr Avenige Hieroglyphen befinden 2). Sollten daher die Meroenser die Hieroglyphen
nicht auf anderes Material als auf Stein aufgetragen haben3), so möchte man schliessen, dass die-
selben in der ältesten Zeit dort entweder gar nicht, oder nur weit seltener im Gebrauche gewesen
sind. Ferner scheint die Aeusserung der Aethiopier, dass nicht einige, sondern alle ihre Landsleute
die heilige Schrift verständen, anzudeuten, dass sie ihrem Volke in dieser Hinsicht eine höhere Bil-
dung als den Aegyptern beilegten. Allein wer sich die noch zu Herodotos Zeit vorhandene Ein-
fachheit der Meroensischen Religionsbegriffe*), den von Strabon bemerkten5) niedern Standpunkt
der politisch-militairisclien Verhältnisse Aethiopiens und die weite Entfernung dieses Landes von
der damaligen gebildeten Welt vorstellt, der wird schwerlich dem Gedanken von einer höhern Bil-
dung und einer durchgängigen Schriftkenntniss der Aethiopier Baum geben, da selbst zu Diodor's
Zeit ö) bei weitem nicht einmal alle Aegyptische Laien der demotischen Schrift kundig waren.
Endlich war nach der uns von den Alten zugekommenen, von den Neueren, wie mir scheint, keines-
weges widerlegten Nachricht die Hieroglyphenschrift in Aegypten, wenigstens zur Zeit der noch
kräftigen Nationalverfassung, eine nur den Priestern zugängliche Schrift. Die Staatsverfassung
Meroe's, wie Aegyptens, war über einer und derselben Grundlage, d. i. der Hierarchie, errichtet
Ja in Meroe waren die Zügel dieser Hierarchie bis zur Zeit des zweiten Ptolemäer viel straffer
angezogen als in Aegypten''). Wie soll man es daher irgend wahrscheinlich finden, dass diese auf

1) Heuodob. Aelhiop. J, ij. — eyiel.tyofiijv tfjv tuiviav, yqu^fiaaiv AtO-ioftixotg} ov dijfiotixoiq, aXX.a ßaaihy.oiq
tOTifi-iivuv i & d'ij roig Aiyvntmv iigotttxoiq xuXovfievotq lifiomtai, Vergl. die Angabe Thrasyll'.s bei Diogen. Laebt. de Vit.
IX, 49-, dass Demokrit zwei Bücher schrieb: tu tccqi roiv ev BaßvXoivi legcav ygaßfiaroiv neqi toiv ev Me^oy Uqcov yQa.fi/iaTOJv.

2) Vergl. Heeren Ideen. 2. Th. 1. Abtk. p. 418. „Die Seltenheit der Sculpturen und Hieroglyphen ist sehr merk-
würdig. Wir selten hier keine Spür jener Aegyptischen Kunst."

3) Man darf diese Verschiedenheit nicht etwa in den Worten Diodor. Sic. III

, 4. TtEQC TOIV AtO'lOTtlXOlV J^CC/f/lCfTW?',

roiv itan' Aiyvmioit; xaXovßtvon ÜQoy).v<ptxi»v finden wollen. Denn es konnte dieselbe Schrift, welche in Aegypten nach
ihrer vornehmlichen Bestimmung für die Eingrabung auf Monumente die heilige Sculpturschrift hiess, in Aethiopien ganz
denselben Zweck haben, ohne dass sie doch davon den Namen führte.

4) Selbst diejenigen, welche die Religionen aller Völker aus einem ursprünglichen Monofheism ableiten, werden in
der beschränkten Meroensischen Götterzahl zu Herodolos Zeit nicht eine Verwandlschaft mit jener reinen Urreligion, son-
dern eine Armuth religiöser Ideen im Gegensätze gegen den Beichtlium des ausgebildeten Polylheism vermuthen.

5) Strabon. XVII, 1. sagt von den Kriegern der Kaudake: w/v äe tqottiiv cnoiijae CHerQomoOj ouvreray/ievoiv re
xaxoig xai ömXio nevoiv' fteyaXovi; yag cix»v -OvQeovq xae rovxovq o>/.ioßoivovq, a^vvxyjqia <Se nsXexeiq, ol <5e xovtovg, ol de xcu {nf?j.
Von den Aethiopischen Gesandten aber, deren au den August gerichtete Botschaft doch nicht Männer aus der niedern Volks-
klasse voraus setzen Iässt, heisst es: ovx uäevat &e wuoxovtoiv, ösrtg "7 KaiaaQ xai !m>\ ßadioteov ei>> ttciq avrov.

G) Diodor. Sic. I, 81. jTga/i/iota en' oliyov foäaaxovoiv (nämlich die nicht der Priesterkaste angehörenden Aegyp-
ter) ov/ änavreg, aX)' ol rag rexvag peTaxciniZofiEVOi naXiora.
7) Diodor. Sic. Hi, e. Sibabon. XVII, 2.
 
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