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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Mai (No. 52 - 63)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0243

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Amtsverkündigungsötatt für den Mezirk Schwetzingen.
Badische Hopsen) ei tun g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

«0. «1.

Samstag, 22. Mai 1874.

VIII. Jahrgang.

Anserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Burcaux von Kaaseirstein L Rogier, Rudolf Waffe und K. L. Daube L Ko., die Süddeutsche Annoncen-Krpedilion
von H. Stöckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Aäger'sche Eentral-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Badischer Landtag.
Karlsruhe, 18. Mai. (44. öffentliche Sitzung der
2. Kammer unter dem Vorsitze des Präsidenten Kirsner.)
Am Ministertische: Geh. Rath von Freydorf, Präsident
Turban und Direktor Nokk.
Geh. Rath v. Freydorf legt das Einführungsgesetz
zum Reichs-Preßgesetz vor.
Es folgt nun die zweite Lesung des Gesetzentwurfes,
die Rechtsverhältnisse der an andern als an Volksschulen
angestellten VolcksMüllehrer und der Gewerbehauptschul-
lehrer betr. Nach wenigen, zwischen dem Mitberichterstatter
Müller von Pforzheim und Direktor Nokk ausgetauschten
Bemerkungen wird das Gesetz in zweiter Lesung einstim-
mig angenommen.
Die Tagesordnung führt mm auf die Berathung ver-
schiedener Bittschriften mehrerer Gemeinden.
20. Mai. (45. öffentliche Sitzung der 2. Kammer
unter dem Vorsitze des Präsidenten Kirsner.) Am Minister-
tische : Staaisminister Dr. Jolly, Staatsrath Ellstätter,
Geh. Referendar Nicolai und Steuerdirektor Regenauer.
Zunächst wird der Abg. Joos, der sich in Folge
seiner Dienstbeförderung einer Wiederwahl unterziehen
mußte, eingeführt und beeidigt. -
Hierauf werden folgende Bittschriften als eingekom-
men angemeldet:
1) Bitte der Gemeinden Langenbach, Bubenbach,
Böhrenbach, Hubertshofcn, Gütenbach, Neukirch und Ham-
mereisenbach, den Bau einer Eisenbahn von Donaueschin-
gen nach Furtwangen betr.
2) Bitte von Gemeinderäthen des Amtsbezirks Wein-
Heim und zwar von Weinheim, Laudenbach, Hemsbach,
Heddesheim, Lantershofen, Großsachsen, Rippenweier, Ur-
senbach, Oberflokenbach, Ritschweier, Hohensachsen, Lützel-
sachsen und Sulzbach um Einführung gemischter Volks-
schulen.
3) Bitte der Gemeinde Schlüchtern um Errichtung
einer Haltstation mit Güterverladung. Uebergeben von dem
Abg. Roder.
4) Bitte sämmtlicher Meister, welche Leistungen für
die Eisenbahnlinien Schwanckenreuthe-Pfullendorf, Krau-
chenwies-Sigmaringen und Meßkirch-Mengen durch Ver-
trag übernommen habeil, Ersatz für die durch die einge-
tretene Preiserhöhung erlittenen Verluste betr.
Nach einem kleinen, den Abg. Edelmann betreffenden
Zwischenfall wird zur Tagesordnung übergegangen. Die-
selbe führt auf die Berathung des Berichts des Abg. Stösser
über den Gesetzentwurf, betr. die Einführung einer allge-
meinen Einkommensteuer.
Für den Gesetzentwurf sprechen die Abgg. Schoch u.
Blum, gegen denselben die Abgg. Heilig, v. Feder nnd
Kiefer.

Ani Schluffe seiner Rede stellt der Abg. Kiefer im
Vereine mit den Abgg. Bluntschli, Bürklin, Lautex, Stig-
ler, Kimmig, Frank, Mörstadt, Bickel, Fischer, Sachs von
Heidelberg, Fieser, Schmid von Tiefenstein, Roder, Pflüger,
Mays, Lang von Karlsruhe und Martin folgenden Antrag:
„In Erwägung, daß die in dem vorliegenden Ge-
setzentwürfe vorgeschlagenc Einkommenssteuer nicht durch
finanzielle Bedürfnisse hervorgerufen, sondern zur Aufheb-
ung anderer Steuern, bezw. znr Beseitigung mangelhafter
Einrichtungen des bestehenden Steuersystems dienen soll;
in Erwägung, daß diese neue Steuer zu den übrigen
direkten Steuern lediglich hinzutritt, ohne daß sie im
Stande ist, deren Mängel zu beseitigen, sofern eine um-
fassende und ausgleichende Reform nicht gleichzeitig voll-
zogen wird;
in Erwägung, daß die Grundsätze, nach denen eine
Einkommenssteuer auferlegt werden soll, nur dann ohne
Gefahr einer ungerechtfertigten Steuermehrung und im
Geiste einer, die wirklichen Steuerkräfte des Landes billig
berücksichtigenden Reform festgestellt werden können, wenn
die Volksvertretung in die Lage gesetzt ist, die höhere Be-
lastung einerseits gleichzeitig mit der entsprechenden Er-
leichterung anderseits zu beschließen, wird beantragt, von
der Berathung der einzelnen Bestimmungen der Vorlage
Umgang zu nehmen und zugleich die großh.Regierung zu
ersuchen, dem nächsten Landtage eine durchgreifendere, ins-
besondere die Grund-, Häuser-, Gewerbe- und Klassen-
steuer umfassende Steuerreform vorzuschlagen."
Gegen diesen Antrag erhebt sich in langer, eingehen-
der Ausführung Staatsrath Ellstätter. Er sagt, die gegen
die Vorlage vorgebrachten Einwürfe seien Mißverständnissen
entsprungen, erklärt, den im Kiesec'schen Anträge ausge-
sprochenen Ersuchen nicht willfahren zu können und verwahrt
sich ausdrücklich gegen die Unterstellung, als beabsichtige die
Regierung, durch Einführung der Einkommensteuer die Ge-
sammtbelastung des Volkes zu erhöhen; dieselbe ziele viel-
mehr auf eine Verbesserung des Steuersystems im Wege
der Verschiebung des Schwerpunktes der Steuerlast von der
unbemittelten Mehrzahl zu der leistungsfähigeren Minder-
zahl. Welche Steuer im Austausche gegen die Einkommens-
steuer vermindert werden solle, darüber habe die Kammer
zu beschließen. Die Regierung habe von der Liegenschafts-
accise nur oxoiuxli Avatia. gesprochen, als einer der irra-
tionellsten Abgaben, die wir haben. Beschließe die Kammer
die Verminderung, z. B. der Grund oder irgend einer an-
deren Steuer, so werde die Regierung dem nicht entgsgen-
treten. Die Vorlage sei das Ergebniß zahlreicher, langer
und mühevoller Arbeiten. Die Regierung könne von Seiten
der Volksvertretung so viel Rücksichtnahme beanspruchen,
daß ihre Vorlage wenigstens in Berathung gezogen werde.

Geschehe dies, so werde manches Mißverständniß, mancher
Jrrthum über die Intentionen der Regierung verschwinden.
Wer für den Kiefer'schen Antrag sei, führe faktisch eine Ver-
schleppung der Sache, eine Verschiebung uä eulsuckar Aruoous
herbei, erwecke den Schein, als ob es ihm mehr um die
Interessen gewisser Klassen und mit seinen Reformanträgen
und Wünschen nicht so ganz ernst gewesen sei. Das Haus
solle die vorgeschlagenc Einkommensteuer annehmen, damit
werde ein guter Schritt zur Steuerreform gethan sein.
Um 1 Uhr wird die Sitzung abgebrochen, um Abends 3str
Uhr fortgesetzt zu werden. Man ist übereingekommen, daß erst
über die Vorlage generell und dann über den Kiefer'schen
Antrag gesprochen wird. Interessante Verhandlungen stehen
bevor.
In der um 3sts Uhr beginnenden Abendsitzung sprechen
für den Gesetzentwurf die Abgg. Müller von Pforzheim,
Friderich, Junghanns, gegen den Gesetzentwurf die Abgg.
Bluntschli, Stigler.
Der Abg. Friederich kündigt folgenden Antrag, der die
nöthige Unterstützung gefunden hat, an:
„Dieffs Gesetz tritt mit der Verkündigung desselben in
Wirksamkeit. Das Finanzministerium sorgt für den Voll-
zug und ertheilt zu dem Ende die nöthigen Vollzugsvor-
schriften. Die erstmalige Erhebung der Steuer auf Grund
des gegenwärtigen Gesetzes (Art. 10 und 41) findet statt,
nachdem die neue Einschätzung des landwirthschaftlichen Ge-
ländes und der Gebäude (Ges. vom 7. Mai 1858 und
26. Mai 1866), sowie die Revision der Klassensteuergesetze
(31. Okt. 1820 und 10. Juli 1837) und des Gewerbe-
steuergesetzes vom 23. März 1854 stattgefunden haben."
Von der Regierungsbank sprechen Staatsrath Ell-
stätter und Direktor Regenauer.
Abends 7sts Uhr zieht Kiefer seinen Antrag zurück.
Die Specialdiscussion findet morgen statt.

Neueste Post.
Werkin, 19. Mai. Der Reichstagsabgeordnete Most
ist auf Grund des 8 130 des Strafgesetzbuches zu Istr
Jahren Gefängniß verurtheilt worden.
Werkin, 20. Mai. Nach Schluß der Sitzung des Ab-
geordnetenhauses machte Viceministerpräsident Camphausen
dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses die Mittheilung,
daß der Schluß des Landtages schon morgen Abend 7 Uhr
im Abgeordnetenhause erfolgen werde.
Karlsruhe, 19. Mai. Ob es gelingen wird, die
Landtagssesfion bis zur Mitte Juni zum Abschluß zu brin-
gen, bleibt immer fraglich, zumal man auch noch Vorlagen
entgegen sieht, welche mit der Einführung der neuen Münz-
währung auf 1. Januar 1875 im Zusammenhänge stehen.

FruiUelon.

Der Armenarzt.
Sechstes Kapitel.
Irr der Eisengießerei.
(Fortsetzung.)
In der Wagenberg'schen Eisengießerei war viel zu
thun und Eberhardt mußte bald hier bald dort sein.
Wenn sein Gesicht sonst um so freudestrahlender blickte,
je mehr er von der Arbeit in Anspruch genommen wurde,
schien ihm heute nichts recht zu sein. Er sah mürrisch
drein und gab kurze, bissige Antworten, wenn ihn einer
der Arbeiter um Auskunft bat.
Nur einer der Arbeiter freute sich über die Verstimmung
des Werkmeisters und ließ seine Blicke von Zeit zu Zeit
Hönisch über die gefurchten Züge des Alten gleiten.
Dieser Schadenfrohe war der Einlogirer Eberhardcks,
der Berliner Kurz,
„Ja, ja," sagte Kurz halblaut zu Eberhardt, als
dieser in seine Nähe kam. „So geht es. Wenn mau
alt und grau geworden ist und dem Geschäfte etwas eiu-

gebracht hat. Erst ausgepreßt wie eine Citrone und dann
weggeworfen. Ja, ja, so ist es auch in Ordnung. Der
Arbeiter muß dem Prinzipal nützen, so viel er eben kann
und dann wird er davon gejagt wie ein alter Schäfer-
hund, der keine Zähne mehr hat."
Eberhardt erwiederte keine Silbe. Nur das.Zucken
seiner Lippen verrietst, daß die scheinbar leichthingeworfeneu
Worte ihn tief getroffen hatten.
Kurz arbeitete munter an seiner Form weiter und
schlug den schwarzen Sand um das Holzmodell.
Ha, dachte er. Und wenn Du so zäh wärest wie
schwedisches Eisen, Du sollst doch noch Einer der Unserigen
werden, wir müssen Leute haben, die Etwas besitzen —
wovon sollten wir sonst leben zur Zeit der Noth ?
Ein dreimaliges Glockenzeichen verkündete die Mit-
tagsstunde, und wie mit einem Zauberschlage ruhten Hammer
und Stampfeiseu. Die Arbeiter holten theils ihre kleinen
Blechkessel herbei, in denen sie ihr Mittagsbrod schon am
frühen Morgen mitgebracht hatten, Andere, die in der
Nähe wohnten, eilten zum gedeckten Tisch in dem kleinen
Daheim.
Zu Denen, welche sich das Essen bringen ließen, ge-
hörte auch der Werkmeister Eberhardt. Ihm war es schwer,

sich in der Mittagsstunde zu entfernen, weil sein Auge
zuweilen Nachsehen mußte nach dem schmelzenden Eisen im
Gluthofen, wie es in schweren Tropfen herniedersickerte
und sich unten im Ofen ansammclte.
Meistens besorgte Lea die Hinausschaffung des Mahles
für ihren Vater und jeder Arbeiter kannte sie gar wohl,
Jeder bedauerte, daß die Natur das arme Mädchen so
vernachlässigt habe und jeder hatte sie gerne wegen ihres
bescheidenen Wesens und der eigenen Art und Weise, die
sie so sehr von ihren Genossinnen unterschied.
Eberhardt freute sich, sein Kind zu sehen, mit ihr
zu plaudern und war glücklich, wenn sie heiter war.
Aber heute hatte er kaum einen freundlichen Gruß
für sie, er war ganz anders wie gewöhnlich, ja er aß das
schmackhaft bereitete Linsengericht — sonst seine Liebliugs-
speise — ohne ein Wort des Lobes oder des Tadels zu
haben.
„Ist Dir etwas Unangenehmes passirt?" fragte Lea.
„Etwas? Nur Etwas? Eine ganze Masse, Lea, so
viel, daß ich wohl Zeitlebens daran zu tragen habe."
Dabei lachte er bitter, wie es sonst seine Weise
nicht war.
(Fortsetzung folgt.)

Der Pstngst-Feiertage wegen erscheint die nächste Nummer Donnerstag
 
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