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Hirsch, Theodor [Editor]; Töppen, Max [Editor]; Strehlke, Ernst Gottfried Wilhelm [Editor]
Scriptores rerum Prussicarum: die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft (1. Band) — Leipzig: Verlag von S. Hirzel, 1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.54721#0275
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CRONICA TEURE PRUSSIE. BEILAGE 8.

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sen traten zum Orden in Lehnsverhältniss — ein Verhältniss, dessen Unterschied von
dem der Allodialbesitzer in jenen Zeiten schon sehr verdunkelt war; doch hatte es
immer noch praktische Bedeutung, dass der Lehnsmann sein Gut nicht ohne des Lehns-
herrn Willen veräussern durfte und das Erbrecht durch mancherlei Bestimmungen be-
schränkt war. Auch in dieser Beziehung konnte die Landesherrschaft mehr oder minder
günstige Bedingungen stellen.
Die Ideen, welche der Orden bei der Anordnung der Besitz- und Rechtsverhält-
nisse für die eingeborenen Preussen in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts
verfolgte, lassen sich aus den noch in ziemlicher Anzahl erhaltenen Verschreibungen
dieser Zeit noch ziemlich deutlich übersehen. Schon vor dem Aufstande des Jahres 1260
hatte der Orden versucht, die angesehensten Eingebornen Preussens, besonders Sam-
lands, durch Erlass des Decems, Erweiterung ihres Besitzes und Verleihung von Juris-
dictionsrechten an sich zu fesseln; dasselbe Mittel musste er in der Noth der nächsten
Jahre nach dem Abfalle noch häufiger und in noch ausgedehnterem Maasse anwenden.
Aber die Noth ging vorüber und nun hatte er keine Veranlassung mehr, die ohnehin
Einflussreichen und Begüterten mit seinen Gunstbezeugungen zu überschütten. Er
wandte seine Sorge nun vielmehr den mittleren und unteren Schichten des Volkes zu.
Es versteht sich, dass der Besitzer eines grossen und der Besitzer eines kleinen Gutes
bei denselben Privilegien sehr ungleich bedacht sind, so lange die Leistung dieselbe
bleibt. Sind z. B. beide decemfrei, beide aber zu demselben Kriegsdienst verpflichtet,
so wird der Besitzer des kleineren Gutes sich in grossem Nachtheile befinden. Hie-
durch erläutert sich die fernere Verwaltungspolitik des deutschen Ordens. Eben die
Decemfreiheit, die er vorher den Grossen unter den Eingebornen erthellt hatte, wandte
er jetzt den kleinen, ja denen zu, die er eben erst aus Unterthänigkeitsverhältnissen,
etwa von der Schaarwerkspflichtigkeit befreite. Die Angeseheneren dagegen, welche
selbst Gutsunterthanen hatten, traten am häufigsten in das Verhältniss, dass sie statt
des Decems das Pflugkorn lieferten. Und hieraus erklärt sich denn die durchgehende
Erscheinung, dass Decemfreiheit mit ausdrücklich ausgesprochener Freiheit von bäuer-
licher Arbeit, Verpflichtung zur Lieferung des Pflugkorns mit gutsherrlichen Jurisdic-
tionsrechten in immer nähere und verwandtere Beziehung zu einander traten. Es
versteht sich, dass Ausnahmen von dem einen, wie von dem anderen Falle sehr leicht
vorkommen konnten; diese Ausnahmen dienen aber nur zur Bestätigung der Regel.
Nebenher, doch sehr allmählig, führte der Orden auch das kulmische Recht in die Ver-
schreibungen der Preussen ein; die festeren Normen, die es besonders hinsichtlich
der Jurisdiction und des Kriegsdienstes aufstellt, und das Streben, preussische und
deutsche Unterthanen allmählig einander zu nähern, neben gewissen andern Rücksich-
ten, empfahlen es.
Sehen wir von der Stellung, welche die begünstigten Preussen vor Empfang ihrer
Verschreibungen einnahmen, weg, und auf die rechtlichen Verhältnisse, in welche sie
eben eintraten, so haben wir, genau genommen, nur drei Klassen derselben zu unter-
scheiden. Die beiden ersten Klassen haben ihre Verschreibungen auf Erbrecht, die
dritte auf kulmisches Recht. Unter jenen begreift die erste diejenigen, welche weder
Decem zahlen noch Schaarwerk leisten dürfen. Hieher gehören vor allen jene Ver-
schreibungen aus den Nothjahren 1261 bis 1263, welche für freie Samländer, mei-
stens edler Herkunft und zwar fast sämmtlich durch den Komthur Dietrich von Königs-
berg, als Vertreter des eben abgetretenen Landmeisters Hartmann von Grumbach,
und durch Andreas Fisch, den Vogt des Bischofs von Samland, ausgestellt, von jeher
vorzügliche Aufmerksamkeit erregt haben, da sie Adelsrechte im weitesten Umfange
zu erhalten schienen1. Sie vereinigen im Allgemeinen (aber keinesweges jede ein-
Cod. Warm. I, n. 86 a. Insuper prenominatis suisque heredibus conferimus omnia judicia
magnorum Witingorum et quod utantur judiciis suorum rusticorum, que omnia tali condi-
cione conferimus, ut non per ipsos, sed per fratres nostros judicentur. Versehr, für Pickern
und Preidor von 1312. Hubenzahl von Samland p. 73.
1) Verschreibungen D i e tr i c h s für Wargule, Kreuzfeld S. 38; für Schardimo, Huben-
maass in Sami. p. 66 ■ für Berisko, für Romike und Gilbirs, Sami. Freie p. 163, 21i ; für Ge-
ducke, für Palstock (beide erneut von Berthold Brühaven 1 300) Geh. Archiv Schiebl. XXXIV,
n. 2, 3 [für Gedute in Scharlak? Mülverstedt in den N. P. P. B. 1 853, Bd. 1, S. 390 ?] —
Script, r. P. I. ,|
 
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